30. Dezember 2015

speyer - im dom




nur einen stein lösen
aus der wand
irgendeinen
ihn behutsam waschen
im rhein
ihn unter den bäumen
neben mich legen
in die dezembersonne
ihm erzählen was geschah
seit er gefangen mit all
seinen brüden

nicht alles
nein
nichts würde
sie halten können dann
an diesem ort


© schneewanderer



gordon is broken




nachts in deinen träumen
unter deinen augen
und dahinter
alle lokomotiven
der welt
alle bahnhöfe
alle landschaften
die du gesehen am tage

deine welt
so groß
so klein
sie findet platz
in deinem lachen





für Lochlan



© schneewanderer



27. Dezember 2015

umkehr




asche bald
was trieb einst
blatt und sproß

kind wieder
mit dem kopf
an meiner brust
dem herz an
meinem ohr
dem jetzt
vor dem
erinnern


© schneewanderer



25. Dezember 2015

um ihre hand bitten




schöne du
in weiß und stein
er steht
vor dir
alt geworden
ohne dich
aber wieder
wirst du
deine hände
in seine legen
diese letzte mal
für immer

meinen eltern


© schneewanderer



20. Dezember 2015

hotel edouard VI




vor mir
nach mir
wieder die zwerge
in ihrer wiege

beim frühstück
kitzelt auch ihnen
die metro die füße

legen durfte ich
meinen kopf
an das herz der stadt


© schneewanderer



16. Dezember 2015

vorweg genomme trauer




fehlen werde ich mir
dem einen oder anderen
unfertigen gedicht
aber eigentlich
waren sie das alle

keine mutter die sich
grämt über einen ältesten
der keiner mehr ist
auch die zahl der trauernden
kollegen hält sich erfreulicherweise
in sehr engen grenzen

die eine katze vielleicht
irgendwo zwischen
sand und felsen und verhungern

der eine mensch sicher
wenig von ihm
in meinen worten
viel in diesem leben
das war


© schneewanderer



15. Dezember 2015

künstlerpech




sich
zu tode
schreiben
ein leben lang


© schneewanderer



11. Dezember 2015

zaunkönig




die hand
nach ihm
ausstrecken
wollen
ihn aber nur
ansehen
wieder lächeln
können dabei

eine feder nur
heilt alle wunden


© schneewanderer



10. Dezember 2015

Tour Eiffel




windwiege
hort der trotzigen
der selfie sticks
rote barette
beherrschen
die fundamente
aus rost
und kinderlachen


© schneewanderer



6. Dezember 2015

Paris Gare de l’Est




wellenbrecher
mit roten armbinden
your id-card please
wir die jetzt ankommen
bringen nur
wut und trauer mit
staunen und leben


© schneewanderer



1. Dezember 2015

TGV




er
fraß sich
in die landschaft
mit dem hunger
eines jungen gottes
seiner ungeduld

er
uns sterbliche
im schoß


© schneewanderer



30. November 2015

Musée Rodin




das höllentor geöffnet
schon so lange
die es durchschreiten
wurden nie weniger


sollte einer wagen
es je zu schließen
den einzig mutigen
werden seine schritte
auf den kieselsteinen verraten
der leise schrei der amsel
einsame du zwischen
all den toten


© schneewanderer



26. November 2015

empfehlung




teufels küche
drei sterne
kein notausgang


© schneewanderer



8. November 2015

langhurst XVII




wiederkehrendes wunder
unsichtbar zu werden
nach mattenweg und sauweide
keine jahreszeit
konnte es verhindern
alles war vergessen
mit ein paar schritten
ungeliebtes hochdeutsch
verhaßter prügelstock
hier nahm die welt sich
einen anfang
uns bei der hand
wärmend uns
warnend uns
aber nie
ließ sie los


© schneewanderer



4. November 2015

ludwig k.




die wenigstens haben
ihn je verstanden
auf dem kasernenhof
damals als er begreifen
sollte wer freund und feind
was links um und achtung

einem wie ihm
tief aus dem tal
erhaben gegen alles
das schreit

achtzehn monate lang
stachel im fleisch
der dienstvorschriften


© schneewanderer



2. November 2015

mit kinderaugen





schnee fiel
menschen
metall
seide

siebzig jahre später
die kinderaugen
immer noch
voller entsetzen
ungläubig
traurig
daß der eine feind
namenlos bis heute

meinem vater
elfjährig im frühjahr 1945



© schneewanderer



19. Oktober 2015

im moormuseum





dem boden entrissen
die ersten hütten
wie gräber
sie wurden dazu
dort wo
kein weg
dem mensch
ein ziel
gewesen wäre



© schneewanderer



24. Juli 2015

widerruf




 

niemamd verstummte
niemand darf mich
freund nennen
der der kälte nicht
widerspricht


sie taugen
sonst nicht viel
unsere worte
unsere leben

keines

© schneewanderer



10. Mai 2015

im ovamboland




nie verließ mich
das mitleid seither
seit diesem esel

er klagte nicht
er starb nicht
saß nur mitten
auf der straße

mit augen
die mich
eines nachts
aus dem
schlaf schrecken


© schneewanderer



solitaire




nicht um wasser
nicht um schatten
bittet der fremde
nur um ein stück
vom himmel
der duftet nach
apfelkuchen
wie das erste stück
davon
wie das letzte


© schneewanderer



swapokmund - brauhaus




unter keiner der fahnen
fände ich je heimat
die sehnsucht danach
beschreibt keine flagge
denn hier endet
aller durst nach vertrautem


© schneewanderer



dem mitreisenden




guten morgen
gute ratschläge
guten tag
besser wissen
gute nacht
nichts mehr
wissen wollen


© schneewanderer



12. April 2015

so sollte es sein




ein beständiger maimorgen
so warm daß du
früh schon unterwegs
sein kannst
einer der übrig gebliebenen
alten bäume wird dich rufen
bleibe bei mir du bist müde
wir sahen uns jung schon
nun darfst du bleiben
hier im schatten
unterm licht
des letzten tages


© schneewanderer



16. Februar 2015

hornisgrinde




auge im nebel
dort wohin
sich das licht
flüchtete
mit dem ersten
schritt schon
lasse ich ab
vom mitleid
mit den schwachen
bäumen im schnee


© schneewanderer



7. Januar 2015

dresden am dreikönigstag 2015




verhüllt die alten meister
der himmel macht es ihnen nach
sogar die elbe ein trauriges naß

aber mit dir im wind
im regen im schnee
sicher einander
an jedem ufer


© schneewanderer