27. Juni 2008

Das zweite Haus




Kein Buch
kein Eintrag darin
verrät mehr sein Alter

Umsonst
die Mühe damals
leserlich zu schreiben

Keine Hand
löst mehr
die rostigen
schweren Nägel
Die sie einschlug
hat eine andere Farbe jetzt

Leicht ist sie

Jede Schindel
die Dünnen
die Durchsichtigen
tauschte ich
gegen Neue

In
diesen Stunden
bei diesem Tun
Im Halbdunkel
Im Licht

Immer im Auge
den Nagel
verrät
mein Haus mir
sein Alter


© schneewanderer


Die mich kitzelt




Heute
schreibt
das Leben
eine neue Zahl
in dein Alter

Schöne Zahl
Weiche Zahl

Wie das Lachen
beim Lesen

Wegen diesen Tränen

Einen Strauß
voll Tränen
aus beiden Augen
für dich

Weiche Tränen
Schöne Tränen



Für Uschi

Muse kommt nicht von müssen
Lachen müssen kommt von Dir


© schneewanderer


102927 Quadratkilometer




Es ist eine Insel
Insel die du bist

Jeden Meter Boden
bedecke mir
mit den seidenen Blättern
deines Papiers

Deine Hände
die Stengel
Dein Fühlen
der Staub
der Blüten

Werde nicht müde davon

Werde alt

Damit mir noch oft
der Mohn erwächst
unter dem Schnee


Für Helga
Der großen Schwester
Mein Schneeball zum Geburtstag


© schneewanderer


Nur




Das Wort
ist mein Haus

Das Eigene
Das Fremde

Ohne Mauern
Ohne Dach

Alles
einzulassen

Um doch nur
immer Gast zu sein


© schneewanderer


Widmung




Im Wort stehen
offen das leere Buch

Im Weiß
verbirgt sich
dein Leben

Suche
und
hoffe
es nie
zu finden

Es würde
enden
mit der letzten Seite
die du schreibst


© schneewanderer


Langhurst I




Wald
dazwischen
Weite

An
den Flanken
Berge

Als könnte sich
die Ebene verirren
und in den
Rhein fallen

Daher
der Heimat
schwimmen gelernt
vor dem Abschied


© schneewanderer


Drachenblut




Blätter
unzählige Blätter
die mich bedeckten

Bis du kamst

Jetzt trinken wir
aus der gleichen Quelle
sind sie dem Anderen

Nichts an mir
Nichts in mir

was dem Blatt
noch Halt wäre


© schneewanderer


Fremde Schrift




Dieser Stift
drückt härter auf
als wir es vermögen
auszuhalten

Mit jedem Buchstaben
bricht die Spitze ab
wächst nach
bis in den
eigenen Tod



(Dem einen Engel mehr)


© schneewanderer


Darum Schnee




Beschwerlich
der Weg meiner Hebamme
zu dem neuen Leben

Die Alten im Dorf
sagen heute noch
man sah keinen
Unterschied mehr
zwischen Oben und Unten

Alles war Mitte
Alles war Eins

Seither
habe ich wohl
Schnee in mir
Seit diesem Tag
im Dezember

Keine
abgeschnittene Nabelschnur
machte ihn mir verloren


© schneewanderer


Schneeflocke




Die Erste
vergeht nicht

Die Erste
bist du

Gleitest hinab
vorbei
an Wimper, Lid
Wehmut und Leid

Deine Furche
reicht tief
in mich hinein

Dort
wo sie aufhört
ist alles vergessen

Beginnt
alles neu


© schneewanderer


Tauwetter




So viele Tränen
braucht die Erde
ihr Grün wieder
zu finden

So viele Tränen
hatte der Schnee
vor ihr verborgen

Nun
weint sie sich
den Frost
wieder herbei


© schneewanderer


Baika




Auch mein Name
steht auf einer Liste
vielen wahrscheinlich

Wegen dem Schädel wohl
eher sein Inhalt

Wir stecken
unter einer Decke
teilen Schlaf und Traum

Sie bebt
wenn sie träumt
Sie macht mich still
wenn sie träumt

Nur einmal
träumen können so
welch gute Menschen
wären wir

Fehlt mein Name
auf irgendeiner Liste
man füge ihn hinzu

Unter ihren



Für Baika,
einen Pitbull-Mischling


© schneewanderer


Zwänge




Weil wir
nicht tun
was wir
tun wollen

Aber beinahe
schon das wollen
was wir tun müssen


© schneewanderer


Du willst mich tragen?




Mein Leben
wiegt schwerer
wie deines

Meine Träume
haben den
leichteren Schlaf

Immer
suchen sie mir
das eine Herz
Das eine
Junge von damals
Als deines
noch nicht schlug

Aber
wenn du mich trägst
verrate ich ihnen
den falschen Weg

Dann
darfst du mich tragen

Barfuß
bis in die Heidelbeeren


© schneewanderer


Wie ich schreiben lernte




(Der Stab, den ich versprach)


Pflanze
meide
den geraden Weg

Manche Himmel
hängen tiefer
mit Wolken
aus Ungeduld
gemacht

Spüre
den feinen Puls
jeden Wortes
unter der
zerbrechlichen Haut

Entferne dich
von den Wurzeln
Benutze Tinte
aus Geduld

Kein Himmel
ist dir
sicher dann

Aber der Weg dorthin
wird ab und zu sein
wie das
vorweggenommene Paradies

Wachse


© schneewanderer


Saat




Erde
schicke ich dir
aber erst im Sommer
wenn ihr Duft
ihre Farbe
dir ähnelt

Worte
säe ich dir
in diese Erde

Mein Pflug
das Verlangen
vor den ich
meine Freude spanne

weil

dein Lachen wird
ihre Sonne sein
deine Tränen
ihr Regen

du wirst aufgehen



(dem anderen Paar Schuhe, das immer mitgeht)


© schneewanderer


Gehe mit



Mit dir
Baum werden
Trieb, Rinde
Stamm und Wipfel

Mit dir
Tier werden
ohne Schuld
ängstlich
immer bereit
zur Flucht

Gehe mit
das Menschsein
abstreifen
unsere Herzen
suchen

Bevor
jemand die Axt anlegt
in uns

Irgend etwas
uns das Fell abstreift


© schneewanderer

26. Juni 2008

Woher denn !




Ein Korn
Staub
Rauch vielleicht

Ich weine nicht

Obwohl
die Flöte wird leiser

Der letzte Engel
bevor er mir
von der Seite wich
hat er diesen Schimmer
unter´s Lid gelegt

Dort
wo ich Salz fand
in den Kanälen
statt dem Honig


© schneewanderer


Zustände




Wie es ist
wird nichts
bleiben
von dir
und mir

Wenn es
sein kann
wird es
werden
wie nichts
zuvor war


© schneewanderer


Alle Türen




Sie hat
die alte Wunde entdeckt
sorgsam verborgen so lange schon
seltsam schmerzend so lange schon

Sie hat
Platz genommen neben mir
alle Türen, alle Fenster
habe ich uns geöffnet
einzuladen
was nun
nicht mehr verborgen
nicht mehr schmerzt

Sie hat
mit einem Hauch ihres Atems
mir die Botschaft
zwischen die Mundwinkel gelegt

lächle


Für Stefanie,
meinem anderen Auge,
weil sie eine Lehre für mich hatte,
weil sie da ist


© schneewanderer


Die mich lesen




Feder
die mich spannt.

Feder
die meine Nacht
für beendet erklärte.
Wer könnte schlafen,
wenn Verständnis
die Wange streicht?

Feder
die mir den Buchstaben entlockt
wie ein Lächeln,
das Fragezeichen,
den Punkt.
Bis zum Schluß.

Feder
seid ihr mir,
so wage ich den Flug.


© schneewanderer


Gast bei dir




An
deinem Tisch
der Stuhl
die harte Lehne
aus Stille

Aus den Schüsseln
der Poesie
schöpfen wir
mit Tränenlöffeln
die Einsamkeit
bis auf den Grund

Darum
der eine Teller mehr
an deinem Tisch



(Dem jungen Menschen gewidmet,
der die zwei Bedingungen

erfüllte - und mehr)


© schneewanderer


Spur




Auf die Ahnung
von Schnee hin
das Kind gerufen
in mir

Der Onkel
band die Schlitten
hinter den Traktor
die Welt vor uns
war weich und weiß

Mathias
war der Erste
der fiel

Bruder
kleiner, kleiner Bruder
dir gehörte keine Woche
auf dieser Welt

damals

als noch Schnee fiel
und wir Kinder
von ihr glaubten
sie wäre
weich und weiß


© schneewanderer


Ferngespräch




Meine Wahl
fiel
auf Bauch
und Herz

Mit
deinem Kopf
sprach ich


© schneewanderer


Verzeihlicher Irrtum




Von der Arbeit aufsehend
den Blick auf das
kleine, graue Tor gerichtet
sah ich sie kommen

Erkannte sie
am leichten Pendeln
ihres Kopfes
daß sie sich
angewöhnt hatte
immer wenn sie
etwas schneller ging

Sicher
ihre Hand auf meiner Schulter
zu spüren
Sicher
in ihrem Lächeln
zu stehen

Sie kam nicht
durch diese Brandschutztür
Es war ein Montagmorgen
lange nachdem wir uns
das letzte Mal gesehen hatten

Lange Zeit
sollte vergehen
bis ich mir
noch einmal
so sicher war


© schneewanderer


Nest




Hier schläft
die Ewigkeit
mit ruhigem Atem

Sanft und leise,
wie könnte ich
sie stören?

Leise und sanft
legt sich
mein Traum
an ihre Seite

Und am Morgen
weckt mich
das Gedicht


© schneewanderer


Am Ufer I




Der Fluß
fängt Wolken
wäscht sie weißer
als uns möglich schien

Macht den Himmel blauer
als wir bis hier
zu sehen verstanden

Liegend
ohne Zeit
Die Zeit hat keinen Namen mehr
Die Zeit hat keine Zeit mehr

Mit der Zeit
nehmen wir
andere Farben an:
Das Braun der nahen Wälder
Das Grün des Grashüpfers,
die Neugierde entdeckte ihn
bevor unsere nassen Füße ihn fanden.

Das Weiß der Mohnblüten,
sie verlangten so laut
nach euren Händen
also ging ich nach ihnen

Der Fluß fängt Menschen


© schneewanderer


Leere Couch




Verwaist
das bequeme Polster
sicher im Stall nun
die Herde der Plastiktiere

So nicht mehr
Grund für Tränen

Als
der Fremde
der mit dir
in der Küche sitzt
verzögere ich
eine Weile noch
ihren Schlaf

Vernunft
wir sollten sie
ab und zu
kleiner schreiben
läßt dich nicht
in meinem Schoß liegen

Meine Finger
nicht nachzeichnen
den Schwung
deiner Augenbrauen

Meine Lippen
schließen
dir nicht
die Lider

Damit es
Tag bleiben kann
wenn ich
gegangen sein werde


© schneewanderer


Fabrik der Engel




Lautlos fast
schweben sie
über abriebfeste Böden

Haar
wunderschönes Haar
verbirgt sich
unter weißen Hauben

Nach dem rush
nun ohne
weißen Kittel
ohne Birkenstock
werden die Schwingen
abgelegt

Platten rückwärts gehört
und der Weißherbst
hat ganzjährig Saison

Solange bis
die nächste Auferstehung
auf sich warten läßt

Der nächste Werktag
die Himmelfahrt
beendet


© schneewanderer


Traudel




Da liegt sie nun
die nie liegen wollte
nie liegen konnte

Einer fand sich
sie zu zwingen

Hat ihr aufgetragen
auf den Leib
die Leichenflecken
in grellen Farben

Ein wahrhaft
schlechter Maler
dieser Tod

Obwohl
der eine Pinselstrich
genügte


© schneewanderer


17. Juni 2008

Nachtgang




Zwischen
Rebstöcken
und Apfelbäumen
ringt der Tag
um Fassung

Die Dämmerung
zeichnet die Hügel
weicher
und
weicher
bis sie
eins werden
mit dem Dunkel

Einmal
gehen können so
nicht wissend
ob in den Tag
oder das Licht
danach


© schneewanderer


Sonntag im Juli




Schlafend
in der roten Hängematte

Der sanfte Wind
bedeutet Regen
nicht mehr
weit entfernt

Doch
noch ist Friede
zwischen
Nussbaum und Weide


© schneewanderer


Wegzehrung




Letzter Gast
mit uns
war der Sommer
an diesem Abend

Tod und Liebe
die alten Zechbrüder
am Tisch gegenüber
fielen uns
nicht ins Wort

Und wir hatten
so viele
als könnten sie uns
morgen verloren gehen

Wie wir selbst einmal
nicht mehr
zurückfinden werden

Uns begegnen dann
am Tisch gegenüber


© schneewanderer


Fremde




Unten in der Senke
verharren
ängstlich die Wildschweine

Verharren müssen auch die Hunde
Ihr Zittern straft
einen gnädigen Gott Lügen
Straft uns
die wir darauf bestehen

Irgendetwas
verrät uns immer
auf den Spaziergängen
Lange bevor wir
den Asphalt verlassen

Es ist nicht
unser Lärm

Es ist nicht
unser Geruch

Es ist wohl
unser Menschsein
an sich


© schneewanderer


Blaues Herz




Winter
richtiger Winter
Kälte
richtige Kälte
macht erst kurz
vor deinem Küchenfenster
Halt

Du
mit dem Ältesten
aller Namen
mit dem Samt
in der Stimme
hast fünf Wünsche
bei Marie

Mir
malte sie
ein blaues Herz

Nicht ahnend
daß ich
lange schon
nicht mehr fror


© schneewanderer


No mercy




Lange vor dem Morgengrauen
atmet die Straße gierig
von der Nacht ein

Mit all der
Behutsamkeit
nach Wein, Sekt und
dieser Stunde Schlaf
lege ich deinen Sohn
in sein Bett zurück
aus dem ich ihn
weinend geholt habe

Nur eine Zigarette lang
Zweifel, mein Versprechen
nicht einzuhalten:
dich zu wecken
wenn ich gehe

Im Dunkel fährt
meine Hand durch
dein Haar
findet deine Hand
und wir halten uns
diese gnadenlos
kurze Ewigkeit


© schneewanderer


Drei Birken neben der Landstraße nach Sessenheim




Die kahlen Maisfelder
können eigentlich
nur das Meer sein

Möwen
über den narbigen Äckern
haben sich nicht verirrt

So stehen
diese drei Birken
vom Wind gekrümmt
als Leuchtfeuer
im erdigen Braun


© schneewanderer


Verzeih mir




Irgendetwas trieb mich zurück
die Hoffnung vielleicht
sich nicht mehr schweigend
gegenüber zu sitzen

Bis du fast geweint hast
und ich mir sicher war
nie wieder
alles gutmachen zu können.


© schneewanderer


Ellen




Das Leben
ist eines
der Härtesten
wußte sie
nahm mich
bei der Hand
ein gutes Stück hin
zu dieser Erkenntnis

Verschwand dann
ihre Wunden zu lecken
ohne dabei
das Salz zu vergessen
für die meinen

Und wir brachten Raum
zwischen uns
und Zeit
Zeit ausgefüllt mit Schweigen

Schweigen
das keines war
Und Worte wurden
uns Zungen
lange danach

Verschwinden machend
die Bitterkeit
das Salz


© schneewanderer


Mein Schattenbaum




Des Nachts
malt mir
der Holunder
seine Zweige
an die Wand

Blatt um Blatt
Auge um Schlaf



© schneewanderer


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