18. Oktober 2010

jurka




was sollte ich
dir schreiben

dir
und
den
menschen?

keine angst
vor deines
gleichen

vor deinem
eigen blut

keine zäune

keiner
hoch
genug

wegen
deines
gleichen


als ich die bärin sah,
die spuren ihrer krallen
am baum - sie hat
es ihren sohn gelehrt:
das bäume klettern.


© schneewanderer



habitat




laßt mir
ein paar
bäume

in den räumen
zwischen ihnen
und gestern

laßt mir zwei
von ihnen

damit einer
den anderen
beweinen kann


© schneewanderer



mich lesen




ihr seht
was ich sehe

seht das wenige
seht hindurch
seht darüber hinweg

mehr sollte
es nie sein
als diese
ein
zwei
welten
ertasten


© schneewanderer



schauen XVI




am abend
drei
vereinsamte
gänse
unterwegs
in richtung
wiederkehr

ganz weit weg
an diesem himmel
da wo ich
kaum mehr
erkenne
den unterschied
zwischen
gehen
und
bleiben


© schneewanderer



geneigt




die kapelle
turm im
grün und braun

dann den
kreuzweg
hinunter

dort
schwören
alle bäume
stein und
wurzel:

sie war es
die erde
die uns
nicht mehr hält

seid still
ihr dummen
bäume!

habt ihr
schon vergessen
wie dünn der ast
von der wiege
bis zum grab?


© schneewanderer



vorhergegangenes




ein weg
noch einer

keiner von uns
blickte zurück

sah nur
den anderen
sah sich
im anderen

aus sehen
wurde gehen

einen weg
gemeinsam


© schneewanderer



schauen XV




noch ahne ich nur
die blaue blüte
unten im garten

das moos
heimgebracht
auf daß es
heimisch werde
mit uns

gerade in diesem moment
da der tag beginnt
wurzeln zu schlagen
in mensch
und licht


© schneewanderer



die wartburg im jahre 2010




soviele füße heute
auf dem felsen
zu nichts käme
er mehr

nichts käme zu tale
nichts zu buche

und nach elf wochen
würden sie ihm nicht
einmal die parkgebühren stunden
dem kleinen mönchlein


© schneewanderer



im kurpark




vergeblich
all die mühen
den aufrechten
gang aufs neue
zu erlernen

wären da
nicht gewesen
der kleiber
am weg
der baum

an ihnen
wog ich
den schmerz
befand ihn leicht

leicht wie den vogel
leicht wie den baum

leicht wie den sommer
der die hand reicht
dem herbst


© schneewanderer



auf dem kandel




so wenig
kann man sein

wind
wie er
die wolken
zusammentreibt
unter blauem himmel
unter regenhimmel

die silberdistel
verschließt sich
unseren blicken
wir ahnen nur
ihr erwachen

später höre ich
er hat den schnee
gerufen der berg
im august noch

und ich wage
es mir vorzustellen


© schneewanderer



zwei mit schuld




sie also
sind es
die elstern
heute morgen
auf dem kalten
schornstein gegenüber

die dem
sommer drohen
in schwarz
in weiß

als er wäre
schon
geworden

alt
und
älter

herb
und
herbst


© schneewanderer



auf dem weisbauernhof / simonswald




das huhn
spielt
katz
und
maus
mit der
katze

im hof
ein baum
deutlich
unter ihm
ein kreuz

die sah ich
tier und baum
diesen gott
der sich hierher
flüchtete
in diesen
spätsommermittag
in den schatten
der zeit


© schneewanderer



an marx in halle




sogar die vögel
meiden das haus
von dem du noch
immer herunter blickst

mosaik aus steinen
von denen nie
einer zum
anderen gehörte

ein glück
für mich
ein glück
für die zeit
daß ich fast
über dich
hinweg blicke


© schneewanderer



tiere




die dächer
gegenüber

heute morgen
im nebel
sind sie
wie tiere

alt
grau
müde

wie rücken
eines lebewesens
voller narben
zugezogen
bei manchen fluchten

aber jeden morgen
finden sie sich
wieder ein

die roten
die braunen

die mit elstern
auf dem rücken
die mit himmel
auf dem rücken

so als wären sie
nie der erde
leid gewesen


© schneewanderer