27. Oktober 2016

prognose




er wird nicht reichen
dieser eine regen
keiner

rein zu waschen
diese erde

obwohl es nur
diese eine
sünde ist

mensch


© schneewanderer



zehn mal zehn




zehn minuten
zur arbeit
mit etwas glück

zehn jahre noch
zu arbeiten
mit viel pech

zehn mal
muß ich
meine augen
schließen
es zu vergessen


© schneewanderer



19. Oktober 2016

etwas bleibend trauriges




dreimal wäre eigentlich genug gewesen,
aber das kleine mädchen auf der rücksitzbank
jauchzte sich jedesmal in einen anderen himmel.

wenden, vollgas und ein neuer anlauf über die leichte kuppe auf der straße am rhein.
jedesmal mit allen vier rädern in der luft, der erde entsagen um diese kleinigkeit.

den tag über hatte sie die tiere durchs gehege gescheucht, sich selbst jagen lassen.
bis alles, bis sie in einem der großen wassertröge landete:
ende des onkel-besuchen-tags in der badewanne.

das wird mein bild sein von ihr.

aus der erinnerung gezerrt, weil es das schönste ist.
weil ich sonst sehen müßte, wie sie lichter fängt
an der autobahn. endet als blutiges etwas auf dem asphalt.

das wird nicht mein bild sein von ihr.

eines im ton von bleibend traurigem.


© schneewanderer



15. Oktober 2016

bestimmend



 
alles beherrschend
der mond
am frühen himmel
es scheint
daß er scheint
über allem

bis mich
der schmatzende igel
unterm holz
eines besseren belehrt



© schneewanderer



13. Oktober 2016

wäre




immer und immer
aufs neue
wäre es leben gewesen
das eigene
das von anderen

nun ist es tod
deiner
unserer


© schneewanderer



11. Oktober 2016

augenblicke




fast hätte ich ihnen nachgeblickt, sie irgendwann ans vergessen verloren.

aber ich sehe die eiskristalle am fenster, die kleine ziege neben meinem bett.
ewig hungrig - die nächte waren ihr. nach ein paar tagen erschreckte
keiner mehr im stall, kam da einer schlaftrunken und zweistündig zum melken.

im frühling hatte ich einen kleinen schatten in der herde.
struppiges fell, um einiges kleiner als die nichtverstoßenen - aber lebendig
und neugierig wie junges leben nur sein kann.

obwohl der nährwert von alten gummistiefeln gegen null tendiert wurden sie
bearbeitet, angeknabbert und darauf herum gekaut. irgendwann gab ich
die eher halbherzigen proteste auf und ließ gewähren.

ein seltsames bild damals: in der ersten frühlingssonne dieser große mann auf
dem felsbrocken und zu seinen füßen die kleine ziege. bis heute weiß ich nicht
wer es mehr genoß.

sommers nach dem mähen fand ich sie in einer ecke.
man duldet sie nicht auf dauer diese auserwählten,
keiner sollte diesem irrtum erliegen.

trauer und zorn hielten sich in ungefähr die waage
als ich meinen wintergast unter dem holunder begrub.


© schneewanderer


Tür




Bewußt öffne ich mit jedem Gedicht eine Tür.

Gleichzeitig ahne ich, daß diese Tür nie mehr geschlossen werden kann - nicht von mir selbst.

Ein Anderer muß sich finden.

Jemand der durch sein Lesen über die Schwelle tritt, das Wagnis auf sich nimmt.

Mit diesem Handeln, dem im glücklichsten Fall verstanden werden, öffnet sich
wieder eine Tür.


© schneewanderer



Gesten




Von den Großen
werden wir satt
Von den Kleinen
hungrig


© schneewanderer



10. Oktober 2016

zuflucht




wieder im wald
noch einmal
das buchenreisig
zu bergen türmen
sich wärmen
an den resten

verschwunden
für immer
dies glücklichsein
überm schnee

so würde ich schreiben
gäbe es keine bäume mehr

diesen menschen
der sich daran erinnert
wieder und wieder


© schneewanderer



8. Oktober 2016

03.10.2016




immer
diese
leichte
gänsehaut
stehe ich
vor dem
ehrenmal
auf dem nordfriedhof

die schlimmste
grenze
war die
in uns

wir auserwählten
die wir keine kannten
uns selbst welche zogen


© schneewanderer



7. Oktober 2016

wintermärchen




john seufzte noch einmal dann war genug.


keine briefings mehr, der elende drei-tage-rythmus in denen er deutsche städte in schutt und asche legte.
springt nicht über den orten ab die ihr bombadiert habt: so die anweisung.


daran hielt er sich, auch mit brennender b 17.

jahrzehnte später beschrieb einer aus seiner crew die landschaft als weiche sanfte hügel auf denen schnee lag.
einer nach dem anderen fielen seine männer vom himmel, aus dem schnee in den schnee.
kurz danach bekamen sie das mal POW auf ihre kleidung.

eine letzte lüge seine abschiedsworte er käme nach. er schädigte den gemeindewald um
einige junge bäume, seine mutter um die hoffnung er käme heil aus dem krieg zurück nach
minnesota.

er war vergessen.


vielleicht hat mein vater geträumt von ihm als er uns in den wald führte.


ein paar kriege später, im winter seines lebens bekam sein erinnern
einen namen, ein gesicht. und ein crashpoint gps-daten.


hier liegen sie immer noch, die reste von honey chile. hier starb john.


© schneewanderer



6. Oktober 2016

alterserscheinung




wohltuend
der gedanke
nie mehr
eine fahne
grüßen zu
müssen

bäume sprechen
immer noch zu mir
manchmal anworte
ich ihnen

ja ihr habt
wurzeln
getrieben
in dieses leben


© schneewanderer



4. Oktober 2016

A 4 bei Dresden




von der elbe
der alten
vom glanz
des neuen

trennt mich nur
eine schallschutzmauer
die einladung
unter bäumen zu sein

ein ander mal
bei regen
am liebsten
immer dann
wenn sich
fluß und stadt
umarmen


© schneewanderer



langebrück



erschreckt nicht
die enten
scheue jäger
zwischen den büschen
bis der fuchs sie
eines besseren belehrt

geht barfuß
auch im oktober
auf dem meer
aus eicheln

zuerst aber
und zuletzt
seid bescheiden
unter den alten bäumen


© schneewanderer