26. Dezember 2012

revision




mehr als dieser muskel
diese zacken auf dem gerät
nie werdet ihr alles sehen
von diesem herz
meinem schatz den ich
verberge unter worten
ihn preisgebe durch sie


© schneewanderer



sonneberg




neunundachtzig
winter und keiner
alle legen wir
zwischen das
geduldige erinnern
dort wo schnee
wächst und vergessen
hier im leben


nachsatz

einen menschen heimbringen
ihm die heimat nicht nehmen
ein starker trost an allen gräbern



© schneewanderer



11. Dezember 2012

im schnee




so leicht vergehen
unsere schritte
unter seinem mantel
vielleicht sollte ich
tanzen lernen
vor dem letzten

komm lehre es mich


© schneewanderer



karriere




längst überfellig
die beförderung
vom unmensch
zum untier


© schneewanderer



6. Dezember 2012

gnade




spätestens in einer stunde
bist du übersehbar weihnachtsmann
ein einkaufswagen in die fersen
das war es dann mit der stimmungsmache

einmal helfe ich dir noch auf die beine
aber nicht hier

draußen vielleicht
sicher unter einem
wunderbar stummen
mistelzweig


© schneewanderer



4. Dezember 2012

beruhigend IV




einer von uns
wird einmal
einen schritt
voraus gehen

einen schritt nur

den aufzuholen
ein leichtes dann
weil wir alle unsere
schritte schon vermessen


© schneewanderer



3. Dezember 2012

zehntausend jahre




so lange leben wir
sagte ich dir
damals im anfang
aller zeit
wären es auch nur sekunden
die ewigkeit bliebe
dort wo wir uns trafen
in keiner mitte
keinem ende


© schneewanderer



2. Dezember 2012

beruhigend III




gehe ohne uns jahr
sei wie immer vergeßlich
laß uns wo wir sein werden
wo du uns finden wirst
schaust du zurück
dort im verläßlichen wandel


© schneewanderer



22. November 2012

MRT II




buch ohne siegel
aber ihr brecht es
auf in ein anderes licht
zerrt ihr was nie verborgen
so schreibt man über wunden

die alten die eigentlich
nicht erzählt werden wollen


© schneewanderer



18. November 2012

papstbank




fortlaufende nummer 1899
etwas zu hart ausgefallen
als notwendig gewesen wäre
ein baum weniger
ein fingerzeig lebendiger
als sie es je
sein kann


© schneewanderer



14. November 2012

den gästen




wirklich
sie verharren länger
am futter
wie ihr in sicherheit
für diese spanne zeit
unter einem dach

kommt im
sommer wieder
mensch und vogel
ein bett
ein teller
ist euch sicher


© schneewanderer



zerreißprobe




an dünnem faden
das jahr
er bricht
zerrt die kälte
an ihm
er hält
was es
uns versprochen


© schneewanderer



23. Oktober 2012

grashüpfer




was nur hat sie dir
versprochen grünling?

traue keiner sonne mehr
im zehnten des jahres
sie belügt dich wie immer
bis hinein in euer ende



© schneewanderer



22. Oktober 2012

falter




von nun an
immer in sorge
im oktober
wegen dir
weil der efeu wird
dich nicht bergen
dort im jahr
wo alle farben
sich weiß schreiben
und erinnern


© schneewanderer



16. Oktober 2012

klassentreffen II




drei die fehlten
entschuldigt für immer
gesichter
erinnern
ein lächeln

erst später
der eine schmerz
von damals

wo bist du wieder?
rechne!

würde sie noch
einmal zerren
nach haar und traum
die hand des lehrers
würde fehlen


© schneewanderer



10. Oktober 2012

klassentreffen




erzählt mir
wie groß
eure träume
inzwischen sind
die kleinen
von denen
alle dachten
sie würden es
nie schaffen
weg von der
letzten bank


© schneewanderer



8. Oktober 2012

stuttgart - lindenmuseum




hier hat sie
platz
diese welt
viele welten
mich aber dauert
dieser vogel
gejagt
gerupft
für einen umhang

der aber
entschuldigt
beinahe
beides




"Der Huia oder Lappenhopf (Heteralocha acutirostris) gehörte zu den nur auf Neuseeland verbreiteten Lappenvögeln und gilt seit 1907 als ausgestorben".
Quelle: Wikipedia

http://www.lindenmuseum.de/deutsch/auss ... i/galerie/



© schneewanderer



4. Oktober 2012

lohn




sie mögen es sein
eure ohren und
eure augen
das verstehen
und die fragen
lohn für alles
als ob das schreiben
einen dulden würde
neben sich

"sie werden verstehen, daß sie
keine entschädigung erwarten
können"

nebensatz bei der terminabsprache
einer lesung.


© schneewanderer



1. Oktober 2012

erntedank




kein gutes haar
lasst ihr am sommer
übergebt ihn nackt
dem nächsten

einzig die krähen
hacken bedauern
in alles was das
jahr ihm ließ


© schneewanderer



24. September 2012

einen igel ermahnen II





da baut jemand
ein haus für dich
gegen die winter
für das rascheln
in der hecke sommers

nimm es
bezahle es
in kurzen
kleinen schritten


© schneewanderer


im weinberg




geduld
buchstabiert
mit sonne erst
blätterbraun
im frost dann
honigkalt

von allem aber
nährt sich ungeduld


© schneewanderer



19. September 2012

blattfall




kommt nur ihr farben
des fliehens sind wir müde
bleibt bis irgendwann
irgendwer die weiße flagge hisst
dort im niederfallenden jahr


© schneewanderer



18. September 2012

staatswald




der sandige boden
trägt nur diese
verstümmelten kiefern
wunde über wunde
ihnen zugefügt
damals als sich
harz und schmerz
die hände reichten


© schneewanderer



10. September 2012

grammatik




worte
dein leben
schreiben
deine krankheit


© schneewanderer



sousse XIII




bis hierher
kam der krieg
setzte seine krallen
in den sand
ein abdruck blieb

für die ewigkeit
wird nicht
mit stahl geschrieben
nicht in beton

mit wasser nur
durchs wasser nur


ein bunker am strand von sousse
das meer spielte mit ihm.


© schneewanderer



sousse VI




ob die ratten in den gärten
nachts träumen?
dem gewirr der sprachen
entrinnen sie nicht
gefangen in diesem turm
den wir über tage für sie
errichtet haben

verbunden dem licht
die einen
es meidend
die anderen


© schneewanderer



3. September 2012

paulina II




deinen tod
als anlaß
dieses kreuz mit ihm
weil er nicht von uns läßt

tod und gedicht
aus einer wurzel
einem stamm
aber nie
wachsen sie in den himmel


© schneewanderer



sousse XIV




trägst stein
zu stein
gibst ihm sinn
einen den er
vor dir nie hatte
nach dir
nie wieder
haben wird


meiner frau gewidmet
ihren steinmosaiken
auf einem bunkerdach
am strand von sousse


© schneewanderer



sousse X




du malst mir
bilder in den sand
zehn auf einmal
zehn mit jedem schritt

zehn lasse ich
ihnen folgen
zehn mit jedem
meiner schritte

für chris


© schneewanderer



28. August 2012

paulina




ein zwei
weltkriege
blieben zukunft
ein strenges hochzeitsfoto
viellebiges
totgeborenes

versprich
das nächste mal
auf das zu hören
was fällt
bevor du gehst
um brot
in den tod

paulina studer
1861 - 1880
gewidmet

von einem baum erschlagen
als sie ihrem vater essen
in den wald brachte


© schneewanderer



sousse XII




mauerwärts schlafend
im schmalen schatten
die noch schmälere katze

nie waren sie sicherer
bruder flug
schwester himmel
vater feder
mutter schnabel


© schneewanderer



26. August 2012

waisenkind




sei ein
braves kind
gedicht

leugne den vater
verschweige die mutter
kehre nie wieder heim

die wiege
verbrannt
in der asche
spielen die
nächstgeborenen


© schneewanderer



sousse IX




von allen stränden vertrieben
die streunenden hunde
zwischen den
aufgelassenen hotels

so bellt man
um heimat
als gäbe es eine
an einem
einzigen strand


© schneewanderer



tierlos




vor die hunde gehen
nie mehr mit den
wölfen heulen
schade nur
daß wir das
sinkende schiff
als menschen
verlassen


© schneewanderer



22. August 2012

sousse VII




das meer
in allen farben
in einer davon

und nur
ein blick
liegt dazwischen


© schneewanderer



zollkontrolle




nichts anzumelden
außer diesem
braunen notizblock
sand immer noch
zwischen den gedichten
aber die leugnen
alle grenzen


© schneewanderer


sousse V




verzeiht mir
diese zwei
hände nur
die paar sätze
alles zu verneinen
genügen sie nicht

seid dankbar mit mir
auf das eine paar ohren
für mich: die doch nie
alles überhören.

nach dem besuch der medina in sousse


© schneewanderer


sousse IV




dies mein gott
meine kirche
der tropfende
wasserhahn
unter dem sich
die vögel verneigen
in demut


© schneewanderer



sousse III




europa hätte platz
auf einem liegestuhl
falls dieser nicht
reserviert wurde
vor sonnenaufgang


© schneewanderer



19. August 2012

sousse II




immerwährender sand
aus ihm forme ich
dies gedicht
aus dem nagen der wellen
an allem beständigem

auf dünne beine
stelle ich es
wie die der amseln
dort im dürftigen grün
das nur fremde
wasser erreichen


© schneewanderer



sousse I




schöne du
noch immer belagern
deine verehrer den hafen
keiner der sich fand
die segel zu streichen
draußen unter
deiner augenbraue
aus salz und wind


© schneewanderer



3. August 2012

enteignung




gebt mir land
viel land
alles land

pflügt es um
gründlich
gut
lange

die störche
finden sich
von selbst ein

erst dann
kann ich
meinen namen
ablegen


© schneewanderer



31. Juli 2012

der heutige rezeptvorschlag - suppenhuhn




man nehme
ein huhn
immer nur
das eine
das lauter
gackert
als alle anderen
und dabei stets
das leere nest besungen hat


© schneewanderer



widerwind




wie mit tröstender stimme
an aller tage abend
so bist du - wind
hier im sommer

wie sonst sollte
ich der axt geduld
erklären?

ohne schwielen
an den händen
mit nur der einen
antwort?

bald


© schneewanderer



29. Juli 2012

hohengeroldseck




die fahne
überragt alles
einzig die stockrose
trotzt ihr beharrlich
mehrblütig
keinen winden
ausgesetzt
zeigt nur sie an
wer herr ist auf der burg
wer gebietet über unsere blicke


© schneewanderer



23. Juli 2012

frau sommer




er war immer eine sie

aber wie sollten wir das
erkennen mit augen
geschlossen vor der sonne
und dem unerschütterlichen
glauben an die jahreszeiten?

sie sollten
noch einmal
geboren werden
all ihre schwestern

und sich selbst
einen bräutigam suchen


© schneewanderer



21. Juli 2012

komm




rasch ans fenster
bevor der tag dir
die augen nimmt
sieh die falken - die alten
wie sie die jungen das
morden lehren
kein besseres bild
das ich dir zeigen kann
kein anderer himmel
den es zu bestaunen gilt


© schneewanderer



14. Juli 2012

friedhofsblumen




ums herz gewachsen
mit der zeit
auf den händen ihre blüten
keiner zählt sie
keiner pflückt sie

aber bald legt einer
hand an ihre wurzeln
an die meinen


mein arzt nannte
meine altersflecke
friedhofsblumen


© schneewanderer



gebrechen





ein dichter
der nicht schreibt
ist der blind
vor den worten
oder taub nach ihnen? 


© schneewanderer


5. Juli 2012

falke




so schnell
wie der tod
so leise wie keiner

zum glück
ist mir das
fliegen versagt
nie will ich es lernen


© schneewanderer



schemen haft




hinter gitter
alle schatten
nicht mehr sehen
will ich euch

und gleich nebenan
sitzt die tugend ein


© schneewanderer



27. Juni 2012

namensfindung




morgenbeginner
dachbegänger
tagbeender
waldflüchter
lauthals
stadtbekannt
schwarzfeder
triebedieb
gelbschnabel
wintergast
regenflüchter
untermieter

amsel


© schneewanderer



25. Juni 2012

heimat los




immer kann
einer sagen
dort bist du geboren
nie hier wirst du sterben


© schneewanderer



herman k.




kein grab und keine erinnerung
der wunsch mehr zu wissen
gelebt zu haben als er noch lebte
die zeit ist eine wunde
an der wir sterben
ein leben lang

meinem großvater


© schneewanderer



14. Juni 2012

Karpacz - Kirche Wang




an deinem bug
bienenschwärme
kommt kinder
seht dieses schiff
gestrandet hier
auf diesem berg
neben den grabsteinen
auf die einer mütterchen schrieb
in einer sprache
in allen


© schneewanderer



zaghaft





mag nicht
aufwachen
mein gedicht
die hand
strecke ich
nach ihm aus
es zu ertasten

aber nein
wortloser
dann beschreibt es
keinen traum


© schneewanderer


4. Juni 2012

Szrenica - Reifträger




grenzen wohin
der fuß dich trägt
verschwunden die alten
die erste wird bleiben
dort wo sich der baum
erschrickt vor der höhe


© schneewanderer



Piechowice - Petersdorf




für immer leer
die wiege am zacken
mit dem erinnern
bröckelt der putz
an den häusern
von damals
die kinder aber
sehe ich spielen
im bach

die von damals
die eltern wurden
eine neue hand voll erde


© schneewanderer



1. Juni 2012

Bobrowe Skały - Bibersteine




nehmt die hunde
aus dem dorf
euch den weg
zu zeigen
abschweifende führer
hinauf zu fels und baum

die treppe nehmen sie
mit leichtigkeit
schauen herunter
auf land und wald
wald und berg
und auf mich
dem die angst
diesen blick verwehrte


© schneewanderer



22. Mai 2012

dornburger schlösser II




hinter der letzten mauer
die durstige saale
in ihrem hungrigen bett
das zementwerk
ein klein wenig
weniger schande
seitdem der wind
sich drehte

all das
mit ansehen
und sich unbeholfen
sicher fühlen hier oben


© schneewanderer



dornburger schlösser




beharrlich dieser wind
auf der aussichtskante
hinunter zur saale
die gärten gerade
nur dieses maß
an bescheidenheit
damit die schönheit
bestehen kann
neben stein und stolz


© schneewanderer



film rückwärts




nie mehr in geburtenstarke
jahrgänge purzeln
ellbogen sind kein
lebenswichtiges organ
kein schweizer taschenmesser
bevor einer dir die blutgruppe nennt
beizeiten tanzen lernen
das küssen vor den gedichten

ohne tote alle die jahre auskommen
dann bin ich hier
immer noch gespannt
auf das ende


© schneewanderer



15. Mai 2012

eidechse




wesen
von gestern
eines das
nach uns
im garten
sein wird
zwischen
zwei menschenleben


© schneewanderer



stunde




zwischen
zwei regen
hier im mai
endet der tag
unter kommendem

sind wir leise
hören wir
die farben wachsen

eine davon teilen wir
mit jahr
und tag
und stunde


© schneewanderer



2. Mai 2012

maibaum




einer sollte sich
doch finden
da die düfte blühen
einer der
die zeit schlafen schickt
bienen werden
traum durchsummen
bis die letzte
einen apfel legt
aufs kissen


© schneewanderer



tiefenbach XIV




vergängliche heimat
nie ganz sicher
nie ganz verloren
jahre aus holunder
nun wächst
vergessen
an ihm



© schneewanderer



25. April 2012

ungeduld




mach schneller jahr
beeile dich ja
mit der
die ich liebe
will ich die
wände streichen
draußen im garten

von allen farben
nur eine
aber kaum sind
wir fertig
wird es dem sommer
zu bunt


© schneewanderer



nähkurs




fehlen sie einmal
all die guten gründe
zu schreiben
hoffentlich erinnere
ich mich dann
an den ersten

diesen zaghaften
nadelstich
ins vergessen

mit einem danke an markus:
seinen gedanken aufgenommen.


© schneewanderer



23. April 2012

kerbhorn




berührt man es
warm wie es ist
hart wie es ist
die scheu weicht
dem staunen
wie friedlich
ein baum sein kann
einer aus schwarz
und fell und horn


das horn des wasserbüffels weist kerben auf,
wie jahresringe an einem baum.


© schneewanderer


18. April 2012

flugtag




ausnahmsweise
mit der landung beginnen
die von der endgültigen sorte
absolut sicher

ein satz
ein spatz
was die katze
von ihm übrig ließ

von seiner sorte
werde ich mehr loben
den winter über
bellend vielleicht
um vorsicht bitten


© schneewanderer



9. April 2012

ostern auf der madenburg II




die burg
ein turm

in ihm drei stufen
nur noch den wolken
die hand zu reichen

aber die zeit
verweigert
den handschlag
beharrlich


© schneewanderer



ostern auf der madenburg




fast kein stein
mehr da ihn
zu beschreiben
nimmt man an
wie sie einmal war
läßt man weg wie
sie heute ist
diese nußschale in braun
über den kirschblüten


© schneewanderer



5. April 2012

am weißenburger tor




gefälliger stein nun
nach all der zeit
des wartens auf den feind
kein gedanke daran
mit der brücke
das hier vom hier
zu trennen
licht vom schatten
von uns beiden
den einen
vom anderen


© schneewanderer



2. April 2012

thuja II




geliebte
selbst im
winter werden sie
werben um dich


leiser nur
wie nun
im april


weniger nur
wie nun
da du
allem nachgibst
was vogel heißt
und laut


© schneewanderer



27. März 2012

thuja




verzeihe uns
das hand an
dich legen
unseren drang
nach geradem
den wurzeln
blieben
wir fern
dieser quelle
an korrektur
menschlichem
empfindens


© schneewanderer



22. März 2012

den störchen




macht ihm beine
diesem winter
wie ihr sie habt

macht ihm einen
schnabel der jeden
frosch verjagt

nehmt euch jeden acker
nehmt euch jedes land
vertreibt den winter wacker
alles was ihn mit dem jahr verband


© schneewanderer



toulouse





jeder
den wir
menschen
uns trauen
gott zu nennen
sollte es
nicht wagen
daß wir einen menschen
feind nennen


© schneewanderer



18. März 2012

kommentar




immer das
ziel verfehlend
hat man den
schreibenden im visier
nicht das geschriebene


© schneewanderer



schlachtruf




krieg den anderen
denen die nach mir
den morgen wilkommen
heißen wollen

lange vor euch
war ich es
die amsel
der nacht ein
ende zu bereiten


© schneewanderer



schlafwort




da waren worte
fast im schlaf schon
nimm die nächsten
nimm die anderen
uns lasse ziehen
ins vergessen


© schneewanderer



schauen XI




der garten unten
ein eiland irgendwann
bis dahin halten
die gestrandeten
ihre nassen flügel in den wind

und ich versuche
ihnen glaubhaft
festland zu versprechen


© schneewanderer



nachtstück




mich hindert
kein schlaf
beim wort

in deinen
falle ich
träumst
du ihn
ins wache mir


© schneewanderer



12. März 2012

MRT




lautes bild
genaues bild
durch dich
ein schnitt
durch alles

sogar durchs leben


© schneewanderer



10. März 2012

mauerstück




schatten immer noch
in jede himmelsrichtung
nie waren es zwei himmel
nie nur eine hölle

nur der mensch
heute noch beschäftigt
mit erinnern und vergessen


© schneewanderer



5. März 2012

taufschein





nichts stand darin
nichts von den worten
nichts von der zahnlücke

ein leeres blatt papier
das ich beschreiben
sollte mit leben
dem eigenen
den anderen


© schneewanderer



26. Februar 2012

trauschein




springe
hüpfe
krieche
wenn es
sein muß

über meine
schatten
über deinen

worte mich
traue uns


© schneewanderer



vorteilsnahme




durch jedes korn im winter
den vögeln hingestreut
nehme ich ihm
von seinem schrecken
für die hungrigen
für die im frost

für mich
der nichts annehmen will
nicht den hunger
nicht die kälte
nicht den winter


© schneewanderer



nach urteil




die erste schuld
nach dem vorurteil
die des nicht wissens


© schneewanderer



20. Februar 2012

amselklage





sogar die
regenwürmer
glauben
ich taube nicht
zum friedensvogel


© schneewanderer



16. Februar 2012

vaterland V




liebende waren wir nie
nicht seit damals
als ich deine fahne
verkehrt herum
an den fahnemast hängte

ein paar kilometer
mehr oder weniger
oder die andere seite
des rheins: nicht einmal
deine sprache würde
ich sprechen

aber genau die
verrät mich heute
an all die anderen


© schneewanderer



vaterland IV





magst nicht
ruhig sein
an jedem fluß
du gehörst ihnen nicht
dieser braunen schande
für jeden vater
für jedes land

dresden 13.02.2012


© schneewanderer


13. Februar 2012

störfall




eigentlich leidet
der wels
ein paar hechte
vielleicht noch

am wetter
am winter
am eis
an den menschen

wie sie auf ihm gehen
mit scharfen schuhen

er wird es aushalten
unten im schlaf
das eis wird halten
bis das jahr
sein versprechen einlöst


© schneewanderer



12. Februar 2012

weissagung




vor blindheit
fürchtet euch nicht
dem ende allen
schwarz sehens


© schneewanderer



langhurst VII




ewige wiege im schnee
aus ihr ertrauten sich
worte und jahreszeiten
ein mensch der für immer
wandelt auf der straße der bäume


© schneewanderer



rückfall




kaum ein paar flocken
da ist es wieder mein verlangen


rundes formen
kieselsteine
darin verstecken
um in der pause
den aufstand zu wagen
gegen alles was eine
klasse höher ist


© schneewanderer



8. Februar 2012

langhurst XVI




keine grenzen
die der rede wert
die autobahn droht
dahinter stadt
nie lohnte ein krieg
noch erinnere ich mich
aber mühsam geworden
von den unterlassenen
heldentaten zu berichten

von damals
als die welt
sich auf ihre
kindheit beschränkte
und meine


© schneewanderer



6. Februar 2012

vaterland III




nehmt
dieses eine
dieses kleine

so klein
daß es
platz findet
in einer hand

und die
soll sich nie
zur faust ballen


© schneewanderer



1. Februar 2012

vaterland II




viel zu oft
schreien sie
deinen namen
heraus

vielleicht
um die
ersten schreie
zu übertönen


© schneewanderer



vaterland I




dort wo
kinder
leben
nimmt dich
keiner zu sehr
beim wort


© schneewanderer



rückfall




kaum ein paar flocken
da ist es wieder mein verlangen


rundes formen
kieselsteine
darin verstecken
um in der pause
den aufstand zu wagen
gegen alles was eine
klasse höher ist


© schneewanderer



23. Januar 2012

deutschstunde




buchstabiere
mein
winter
2012

regen
viel regen
nur regen
aufregen


© schneewanderer



22. Januar 2012

Roter Mond




Laß dir

ein Glas Wein
einschenken
wir wollen
die Kerze löschen
und Nacht sein

Stumm
dem Nichtgesagten lauschen
das mir jetzt
wichtiger erscheint
als jedes Wort

Decke mich zu
mit deiner Wärme
ich werde dir
die Augen schließen
damit auch du
diesen
roten Mond
sehen kannst


© schneewanderer



Fosil




Will dir

noch einmal
begegnen
wie vor dem
Wort

Reden
bis
der Kopf
leichter wird vom
Reden

Gehen
nicht
Hand in Hand
aber auch nicht
ohne Ziel

Kein Abschied
dann
weil wir
zu ihm
schon fähig waren


© schneewanderer



Immobilie




Rührend

und hilflos
fast
dein Bemühen
am Telefon
nicht zu verletzen

Mir
den Abstand
näher zu bringen
hättest du
dein Herz
nicht in die
Hand nehmen
müssen

Belaß es
an dem Platz
wo ich es
immer
schon
vermutet hatte


© schneewanderer



Nach der Weihnachtsfeier oder kein Taxi, bitte




Wie dich

denn in diese
Nacht gehen lassen
die ihren Morgen
schon kennt?

Diese Achtung
mit der du dich
umgabst
spürbar wie
dieser Kuß
der gar nicht
statt fand

Und doch
deinen
nackten Füßen
nachsetzen
diese ganze, kalte Treppe
hinunter

Nein
es ist nichts
Ja
es ist
diese Frau
in ihrer ganzen Würde


© schneewanderer



Gefangen




Um

Moral
in Frage zu stellen,
bedarf es
ihrer Definition

So
dürfen also
Gefühle
nicht unmoralisch sein

Wie wäre es,
dich zu fragen,
ob ich dich lieben darf


© schneewanderer



Augen




Manche Blicke

teilen mich
in zwei Hälften

Die Eine
gläsern dann

Die Andere
dunkler
als jedes Wort
mit dem ich mich umgebe

Große, ernste Mädchen
üben sie
bevor sie
ins Leben zurückkehren


© schneewanderer



Touristikball




Stapelweise

Photoalben
Willkommene
Gelegenheit
All den Lärm
Zu archivieren

Bis
Auch
Die Letzte
Bordparty
Unter
Selbstklebender Folie
Verblaßt


© schneewanderer



Closer to the truth




Manchmal

nenne ich
in Gedanken
wieder
ihren Namen

Einfach nur
um
diesem
kleinen Schmerz
der sich
Wahrheit
nennt
näher zu sein


© schneewanderer



21. Januar 2012

sportstunde




wehe
du lernst
schwimmen
januar

hier im winter
wo du doch
laufen lernen
solltest

auf weißem
auf kaltem
dort wo
alle kinder
dir ins zeugnis
schreiben


© schneewanderer



zukehr




sich erinnern
wird wie aufwachen
ein blick
und ein ja
er ist da

wieder einschlafen danach
mit dem unverschämten gefühl
von sicherheit unter menschen


© schneewanderer



17. Januar 2012

steinlos II




nichts
an dem
wir uns
verletzen könnten
noch einmal
schlimmer

zwei titel
ein name
zwei zahlen

nie wird
ein mensch
zu stein
kein vergessen
beschwere
den
menschen


© schneewanderer



16. Januar 2012

sternenfels - schloßberg




nach nichts
ausschau halten
wissen nur
wir werden
gesehen

sonntags
sollten
wir immer
fangen spielen
hier oben

dort wo
das lachen
ein gesicht
aus holz hat


© schneewanderer



sternenfels




du wirfst
schatten
einzige
wo kein
winter war
lege ich sie
dir zu füßen

einige
dauern mich
über alle
schatten hinaus


© schneewanderer



14. Januar 2012

Montagsgesicht




Einer meiner

ersten Eindrücke
von ihr:
Da geht
sie wieder
mit ihrem Kopf
den sie
in den Wolken
spazieren läßt

An
der Hand
deine Gedanken
achte nicht
den Weg

Die Wolke
aber
behalte
im Auge


© schneewanderer



Rat



Mit etwas Glück

kannst du dich
einstellen auf:
Bauchschmerzen,
das örtliche Arbeitsamt,
Lampenfieber und
Wohnungssuche in
einer Universitätsstadt

Tue etwas Sinnvolleres
willst du das Gleiche
bei mir tun

Meist vor der Zeit,
ein paar deiner Sorgen
als die Eigenen
vereinnahmt,
horte ich Magentropfen
und ein wenig Geduld,
gönne mir einen Mittagsschlaf

Halte Kummer bereit
und ein Lachen
zwischen Beiden
bist du vorbereitet


© schneewanderer



Schlafgesang




Die Muskeln

meines Nachbarn
bestimmen
den Takt,
der mich
in den
Schlaf wiegt

Gleichmäßig
entzweit
seine Axt
das zuvor
sorgsam
bedachte
Holz

Bis
in die Dunkelheit
fliegen Späne
Auf Eisenbahnschwellen
wachsen
erneut
quadratische Wälder
ins Mondlicht

Ihrer Asche
sicher
vergehen
so
Tage:
Beginnt
mit dem
Geruch
von Birkenholz


© schneewanderer