18. Dezember 2011

haftbefehl




πόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστι

wenn der krieg wirklich
der vater aller dinge ist
warum suchte keiner nach
der mutter?


© schneewanderer



totgleis




sonntags
schlafen die rehe
länger im gleisbett
gegen alle fahrpläne
wegen ihnen
kein signal auf rot
alle auf tod

und nur einmal
zuckt die hand
um über braunes fell
zu streichen


© schneewanderer



12. Dezember 2011

federschnee




so nehme ich dich
den aus flügeln
aus gezank

verbergt euch
im efeu
ihr langsamen boten

und laßt euch erst
wieder blicken
sind die federn weiß


© schneewanderer



grundausbildung - 01.10.1980




stehen sie bequem
der russe braucht
noch etwas länger:
er kam nie

vier tage später
schickte man uns
heim zu wählen
FJS war geschichte
danach und das
gewehr g 3 zerfiel
in sieben teile


© schneewanderer



7. Dezember 2011

wortbruch




von euch
nehme ich
meine worte
von den toten
und von denen
die mich nie
lesen werden

den himmel
berauben
diese erdrückende erde

nach dem kleinsten
stück wort suche ich

nehme diese splitter
und füge sie nie zusammen


© schneewanderer



spaziergang an der amper




bald bist du groß
sie werden dich
isar nennen

dorthin
treibt es
mich nicht

hier will ich bleiben
zähne zählen am baum
bäume zählen im wasser

und dem biber folgen
in seine burg


© schneewanderer



26. November 2011

schuhe kaufen




bitte
ein paar
in sanftmut
geduldfarben
mit der größe
zu spontanem

und
november
in denen man
barfuß laufen kann

den unentschlossenen
den zu allem entschlossenen
gewidmet


© schneewanderer



weg




ein milder wald
ja - es gibt ihn:
man muß nur alt
werden mit ihm

ein weg dorthin
hinein ins verirren

diesen gehst du
schaust dich um
lächelst und weißt
es gab nur diesen

für dich
für uns

meinem vater gewidmet


© schneewanderer



16. November 2011

hexenring




einer
mochte es
ihn zu schließen

keiner wage es
ihn zu betreten

traurig ich
hinein in alle zeiten
um diesen
freien platz
den ihr mir
verwehrt habt


© schneewanderer



9. November 2011

tanzen




wind
um blatt
licht
um
krone

übermütig
bist du herbst

warte nur
bis den streichern
an die finger friert


© schneewanderer



dresden - grünes gewölbe




elfenbein
und
jade

wohin
das auge
blickt
blickt es
in ein
anderes

asche
und
staub

wurde
aus
deinem
größten
schatz

aber die
gelangen
heute nicht
mehr durch
die kontrollen


© schneewanderer



blindheit - sich ergänzend




du sagst
schau

ich verneine

und doch
sehen wir
das gleiche


© schneewanderer



schloß pillnitz / dresden




fein säuberlich
die hochwassermarken
festgehalten an der fassade
nachdem die elbe
kein halten mehr kannte

hände hatte sie
arme hatte sie
zu greifen nach festem
nach den festen

keine grenzen
duldete sie
am wenigsten
die eigenen



© schneewanderer



3. November 2011

dresden - reformationstag 2011




feuer war hier
unvorstellbares

mein bild
aber wird sein
dieses kleine kind
auf rotem sand

sicher
in diesem
einen moment
vor der zeit
vor vorstellbarem


© schneewanderer



schloß pilnitz im oktober




die kamelie
unter glas
so lange schon
überragt sie
stein und glanz
mit einer ihrer
blüten nur

mir aber
war nach
herbst

nach vergehen
nach einem einzigen
toten blatt


© schneewanderer



28. Oktober 2011

wüster sohn




es war
nie deine
nie allein

die wüste

warst nie
der einzige
sohn

was dir
gehörte
an tod
diesem
grausamen
weg dorthin

dein volk
teilte es mit dir

Muammar Muhammad Abdassalam Abu Minyar al-Gaddafi
1942 - 2011


© schneewanderer



fahrplan




in dieser
einen nacht
bleibe ich wach
gehe die paar
schritte zur
stählernen straße
frage höflich
einen der güterzüge
könntest du
ein wenig leiser sein?

ich höre
den mond nicht mehr
die blätter wenn sie sich
aneinander schmiegen

die lok
wird lächeln
mich nach
der stunde fragen
in der
der mond
am leisesten
die kälte
nach den
blättern greift


© schneewanderer



20. Oktober 2011

einfall




eigentlich
ein herfallen

lautkehlig
gnadenlos

die keinen
drang mehr
verspüren
zu weichen

als hätten
die jahreszeiten
ihre glaubwürdigkeit
verloren

als dürfte ich
den winter
mit euch
staren teilen
für immer


© schneewanderer



zu tisch




karges mahl
aus sand und stein

der verängstigte baum
ganz oben
er könnte auskunft geben

ob es lohnt
das warten
auf den hausherren


© schneewanderer



10. Oktober 2011

tücke




fast den
vorhersagen
erlegen
daß sich
der regen
rege

bis zu
dieser
kleinen
eidechse

wenn sie
noch ist
nenne ich
dich sommer
zeit

und dieses eine mal
ängstigt mich mein
beinahes vertrauen


© schneewanderer



stadtlandflußmaus




durch nichts
teilbar das gedicht
flüsse haben
das bessere talent dazu

durch niemanden
korrigierbar
außer durch mich

aber ich stehe
immer noch
vor der hauswand
mir diesen wunsch
wünschen


© schneewanderer



1. Oktober 2011

texte liebling




wenn du sie
nicht scheibst
werden sie
wieder traum
werden alt
ohne dich:
die worte

und dabei
lernen sie
erst laufen

also hilf
ihnen
beim stolpern

für chris


© schneewanderer



abstimmung




könnten
die rebstöcke
wählen
sie würden
dich nehmen
herbst

einen
der ihnen hilft
aufrecht
dem winter
entgegen
zu stehen

gleiches hörte
man von
apfel und birne


© schneewanderer



lese




farben
wachsen
in den
himmel nun
der erde entgegen
nach innen

die eine
pflücke ich dir
für kommendes
dieses in der
einen farbe nur


© schneewanderer



sie




wie schwer wir an ihr tragen
in allen leben
nach allem leben

doch leicht ist sie
so leicht

nennst du ihre namen

du
und
freund
und
ewigkeit


© schneewanderer



fordernd




dir soll es nun gehören alles
was der winter
uns nicht nehmen konnte
als er nicht gehen wollte

als wir daran dachten
ihm die kalten schuhe
vor die tür zu stellen

das jahr tat es für uns
damit wir ungestraft
mit nackten füßen nun
auf den gedichten gehen
wie auf gräsern von dir


nimm sie frühling
diese tage


© schneewanderer



20. September 2011

frau stein




den millimeter
als maßstab
in ihrem garten

kein findling
der blüht
nie sah ich sie
barfuß auf den kieseln

morgen lade ich
sie ein zu uns
der unordnung lauschen

dieser art von strenge


© schneewanderer



gipfelbuch




ganz oben
wohnt der tod

die spitzen umgehe

und den drang
zum copyright


© schneewanderer



13. September 2011

zufügung




tauben
die sich
nieder ließen
auf entkleideten
feldern

zahlreich genug
picken sie
dem sommer
die augen aus


jahr und stunde
endlich nun
um diesen
flügelschlag zeit


© schneewanderer



6. September 2011

gößweinstein - vor der basilika




als trauten sie
der ewigkeit nicht
nicht so sehr
wie der dankbarkeit

ließen sie steine
legen um die kirche

harter gang
der er vorher
schon immer war

nun um diese spende härter


1895 stifteten karl und aloysia weidinger
der kirche neue "platten" - ihre namen
stehen nun auf einer schwarzen tafel
an der außenwand der basilika gößweinstein


© schneewanderer



erinnern




alles
ist wieder
nahe
trotz
der entfernungen

wegen ihnen


© schneewanderer



5. September 2011

kain verlag




abel
abgemeldet
lange schon

wollte nicht
mein bruder sein

sie mochten sich nie
wort und unwort


© schneewanderer



überschaubares wunder





Mantis religiosa


fast hätte ich
eine mörderin
geküßt

eine schönheit

zerbrechlich
zerbrechend

die natur
hat lange beine
und immer
eine lüge parat


© schneewanderer



27. August 2011

sehhilfe




deine brille finden
eine von ihnen
sie dir bringen
und denken
ein blinder genügt

ein sehender
mit dieser schwäche
für deine augen


© schneewanderer



22. August 2011

gräfenberg - alte post 1866




nie wurde sie trocken
die tinte von damals
als frieden geschrieben wurde
in die bücher nachts

die preußen satt
die bayern müde

und der krieg
nicht lange schläfrig



Anmerkung:

"Und so rückte also das kleine Gräfenberg am Ende des Bruderkrieges in den Blickpunkt der Politik. Das Treffen zwischen dem bayerischen Parlamentär Oberst Roth und dem Befehlshaber des II. Preußischen Reservekorps, Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin, am 30. Juli 1866 markierte einen Wendepunkt für die fränkischen Kriegsschauplätze. Im Waffenstillstand garantierte Preußen, nicht weiter wie bis Nürnberg vorzurücken und der Zivilbevölkerung keinen Schaden zuzufügen während Bayern im Gegenzug versicherte, keinen militärischen Widerstand zu leisten. Ein Fresko am ehemaligen Gasthof "Zur Alten Post" am Gräfenberger Marktplatz erinnert noch heute an den Waffenstillstand, der hier abgeschlossen wurde."

Zitat Quelle: Bayrischer Rundfunk Online - Unser Franken


© schneewanderer



21. August 2011

egloffstein im august




irgendwann springt
sie vom felsen
die burg


der sonst keiner
mehr zu füßen liegt
kein markgraf
die nürnberger zieht
es heute in die gasthöfe
die bauern der gegend
vermieten selbst an gäste


nur nicht heute bitte
da wir selbst belagern
die gechlorten wasser


© schneewanderer



11. August 2011

höfles II




keine scheu
sich zu zeigen
rehe und regen

ihrem wechseln
gehen wir nach
bis dorthin
wo einer
mit feiner nadel
den mais an den
waldrand geheftet hat

an der naht
treffen wir stille
in ihren besten farben


© schneewanderer



8. August 2011

höfles




keine angst
ihr vögel
in der birke
im holunder
im gras

ich bleibe nicht lange

aber die paar tage
gehört ihr mir
meinem schauen
in euren morgen

hier wo
fels und wald
einander treue
schworen


© schneewanderer



4. August 2011

speiseplan




erst
einem
reinen wein
einschenken

ihn dann
die suppe
auslöffeln
lassen


© schneewanderer



29. Juli 2011

schüttelreim




wenn ein kind
irgendein kind
von einem baum
irgendeinem baum
zweige abreißt
einen zweig
ein blatt nur

was hält es danach
tot in den händen
seine vergangenheit
oder seine zukunft?


© schneewanderer



einen igel ermahnen




wehe du bellst
nach dem hundefutter
kommst auf dumme
gedanken nach dem
rohen ei

dein schmatzen
am hellichten tag
nehme ich ja noch hin

deine unvorsichtigkeit

meine kleine tierische
freude über dich


© schneewanderer



vermutung




alle gedichte
sind schon da

als ich dachte
ich schreibe
suchte ich nur


was ihr lest
ängstlich
geduldig


stellt es
euch vor
als ob
der tod
das leben
fand


© schneewanderer



23. Juli 2011

liebesgedicht




eines
daß keiner lesen kann
weil es nie geschrieben wird

nur fühlen
du bist der grund
für meine abwesenheit
für mein dasein


das leichtzu entziffernde

 auf einem leeren blatt papier


© schneewanderer



tränenrede




sei bei mir
in den frühen stunden
so wie jetzt
da ich im regen sitze

vielleicht
bist du der regen
der mir sagt
es ist gut jetzt

gut mit den tränen
gut mit dem bei dir sein



© schneewanderer



steinerberg




endlos und vergeblich
die suche nach hartem

der sommer
hält die luft
mit ihr die landschaft

ein einzelner baum
abgemähte felder


der duft von allem
nach allem

wir darin
wir darunter

verschwindende punkte
würde man nach uns suchen



© schneewanderer



spätes wissen




mit dem einen fuß
über deinem

mit dem anderen
fast im schlaf


so gehe ich

in die nacht

sicher deiner träume
sicher unseres weges


© schneewanderer