3. Februar 2010

tiefenbach VIII




das ende der welt
würde es mich
treffen hier
unter einem kirschbaum
käme gelegen

nach dem sonntagsgeläut
zwischen den dornenhecken
die ausgrenzen acker und baum
den himmel dabei nicht ausschließen

aber es wird sich verirren
auf seinem weg
wie schon so oft


© schneewanderer


brückenschlag (nach der lesung)




wären die zwei geigen
nicht gewesen
nicht weit
wären sie gekommen
die gedichte

nichts hätte ihnen
besser den weg bereitet
ins verständliche

hölzerne brücken
die sie waren
über den menschenfluß

gewidmet
a-b mayerle
christiane


© schneewanderer


nachfolge




der regen hebt dich
aus dem schlaf
noch einmal
nachdem ich
dir schon tauschte
wach gegen traum

nun sind wir gleich
ein tropfen zuversicht
unter allen


© schneewanderer


streben II




hier bleiben wir
unter der letzten blüte
den ersten fledermäusen
die den abend zersegeln


bis einer von uns
den schnee bemerkt


wir werden
die toten blätter
von der schulter fegen
uns zufrieden anschauen
und sagen: wieder ein jahr


© schneewanderer


streben




die paar stufen
vom garten her noch
er wird sie erwachsen

wenn der sommer
seinen namen verliert
an den nächsten
öffne ich ihm
die türe und sage
komme herein
du wirst hungrig sein

am fenster
wird er liegen
der wilde wein
sonnenwärts

irgendwann
betrauern seinen weg
irgendwann
bewundern seinen gang


© schneewanderer


regenbogen




fast wie wir
reduziert
auf diese
paar farben

die aber genügen
alles zu sehen

mehr braucht
es nicht
als diesen anfang
und kein ende


© schneewanderer


langhurst X




noch einmal
der letzte sein
samstags
in der alten
zinkbadewanne

der waschkeller
voller dampf
dort unten wurden
die kleinen sünden
abgewaschen

was sich ansammelte
unter der woche
unter den geschwistern

keiner wußte
von allen

obwohl die farbe
des wassers
uns verraten wird
bis heute


© schneewanderer


blatt und nacht




auch in ihm
der drang
nach morgen
wie sie
verlangt
nach licht

zu einer stunde
und bei keiner
dieses wiedersehen
das erinnere dich


© schneewanderer


pausenblick XI




der wind
treibt mir
die autobahn
ins ohr
als gönne er
mir die ruhe nicht

aber immer noch
höre ich die
karpfen sprechen
in den wassern
am schloß

die jungen gänse
das gras durchschnäbeln

sehe dich
über die weiße
hölzerne brücke
gehen

hand und sinne
an die sphinx legen

von da an
ist es
besser
gut

so wie es
sein sollte
an einem
sommermorgen


© schneewanderer


mai




der garten
ist unser wieder
sonntag liegst du
im gras

wie wäre es jahr?

lege dich daneben
bis das rot
der himbeeren
dich weckt


© schneewanderer


maischnee




dich nimmt
erst der sommer
färbst vorher
haare gelb
und lippen

dein duft
hält uns
in deinem schatten

wenn du
weinst holunder
ist die erde
um diese
eine träne nackter


© schneewanderer


gast




zu klein für die angst
sind ihre farben leuchtend
soll sie mir noch einmal begegnen

barfuß werde ich sie
wieder zum wasser tragen

dir erzählen
sie ist groß geworden
die schlange

hat sich erinnert
an unser staunen
in jenem sommer


© schneewanderer


stummer gott




vielleicht ihm ähnlich
die tote hornisse
auf dem toten holz
in der sonne
dieser sonntag
vor dem gewitter

vielleicht
hat alles
eine sprache
aber die
uns abhanden
gekommen
in den zeiten
dazwischen


© schneewanderer


am ottilienberg bei eppingen




unterm kirschbaum liegend
das blöken der schafe im ohr
möchte ich bleiben hier

das schweigen
wieder erlernen
bis in die reife

den mund
erst wieder
öffnen dann

als hätte ich
eine stimme
unter den blättern


© schneewanderer


genesung




keine sorge
es ist nur
das leben

ungeduldig
wie immer
vor lauter
verlangen
nach dir

nichts anderes
nichts schlimmeres
nichts besseres


© schneewanderer


wahrheit




füße hast du
aufrecht zu gehen
zu straucheln

bist du am boden
nach tausend stücken
bücken wir uns
wollen finden
immer nur dies eine

sehen wir
in dein gesicht
wir erblicken alle
nur nicht das deine


© schneewanderer


vergebung




trauer getragen
an die mauern
deiner stadt

nun besitzt sie
ein tor mehr
durch das wir
schreiten


© schneewanderer


du, decke



fast seid ihr eins
mit mir
der stunde
dem unerwartet
späten feuer
im herd:

du
diese decke
mit den bunten mustern

nur mein gehen
müssen dazwischen
nach dem
angekommen sein

© schneewanderer

trost




immer noch
zucke ich zusammen
unter dem maschinenlärm

da ich war
wo ich sein müßte
bei dir

mich irgendwo
wiederfindend
in einer verläßlichen ruhe


© schneewanderer


vater




hätte ich wurzeln
er wäre eine

fünfundsiebzigjähriger grund
in dem ich erwuchs

bis hier
bis zu ihm

manchmal auch
bis zu mir


© schneewanderer


am abend




das bist du
da bist du

dieser mensch
auf der schmalen straße

gleich erzählst du mir
von den störchen
den träumen
den gedichten

von deinem tag
voller warten
bis wir
die federn glätten
mit wiedersehen


© schneewanderer


galerie am hörnle, königsfeld


hände
wie die
des ersten

die eines baumes
im winter hier oben

als er ging
johann conrad rinderknecht
ging er zu ihm

uns zu zeigen
dieses leben
im holz

uns ewig tauben
vor der stille
der rinde


gewidmet
werner rinderknecht
angelika staude


© schneewanderer

gartenstück II




einige zweige gelbes
dein licht jetzt
an diesem
regenabend

um wieviel heller
dein wachen
im schein
des vorweg
genommenen
vergänglichen


© schneewanderer


gartenstück




nun kann ich
ruhe legen
in die zeit

eine zaghafte
kirschblüte im haar
ist sie eingeschlafen
neben mir

mit jedem atemzug
will sie nähren so
meine zufriedenheit


© schneewanderer


ewig




unser lachen
das feuer
der felsen

dein laufen
über das eis
am großen teich

unser weinen
nie war es
für sich

wo sollte alles
enden - und wie?

kein ort
kein tag
keine zeit

nichts vergängliches
zwischen den leben
unter den worten
in die wir fielen


© schneewanderer


jena - ostern am jenzig




stein und baum
im geröll
fand die sonne halt

sicher ihr schritt
im unsteten monat

wären alle wege so
wie leicht fiele es uns
dem jahr zu folgen
in seine zeichen


© schneewanderer


frage II




wo werden
sie sein
die bäume
nach allen sommern?

hier in uns
da wo sie
wurzeln schlugen
damals
am beginn
aller zeiten

am anfang
aller antworten
am ende
der fragen


© schneewanderer


frage




wo wir
sein werden
nach dem sommer?

wieder
unter bäumen
wieder
unter uns

am anfang
dieser leben
die kein einzelnes
mehr sind

wie könnten
sie es auch
unter bäumen?


© schneewanderer


gewinn




ein zimmer
mehr nun

diesen schritt
diesen herzschlag
entfernt nur

hier im garten
wird sie kleiner
diese welt
unwichtiger

so daß ich
auf ihr gehen kann
stumm sitzend
auf die rückkehr
der meisen wartend


© schneewanderer


farbenlehre




amsel am zaun
im grün ein apfel
einzigartiger grund
den garten heim zu suchen
nach diesem tag ohne farben

den falschen


© schneewanderer


verdacht




er wird doch nicht
dem kalender
seinen fuß
in die tür stellen?

nach diesen abenden
zähle ich ihn
zu den verdächtigen
diesen frühling

zu denen
die mir sagen
nun ist gut
gestehe endlich jahr
deine neigung zur sonne


© schneewanderer


maß




käme einer
und verlangte
mache sie
leichter
die gedichte
leicht

warum?

in der erde
sollen sie wurzeln
nach ihr riechen

nach luft

nach allem
was ich bin
was ich sein möchte
was ich sein werde


© schneewanderer


vor morgen




sicher hast du
deinen mond gesehen
zwischen eiche
nacht und uns

so wie ich
vor die türe trat
und dich sah
unter dem mond
unter der eiche
neben mir

nahe wie die nacht
nahe wie der morgen


© schneewanderer


regensburg




die stadtmaus
blieb unberührt
welchen wunsch
gäbe es noch
nach dir
mit dir?

unter der steinernen brücke
aber wollte ich alles sein

fluß
tag
stein
baum

eine spur von diesem blauen himmel
nachdem sich die roten dächer streckten


© schneewanderer


weißer IV




willst nicht gehen
wohin du immer gehst

machst dich schlecht
in diesem bild
vom jahr

dem voll grün
voll licht und warm

gehe endlich
schlafen schnee
und nimm
als decke
deine haut


© schneewanderer


beruhigend II




den sonntag beliegen
die woche verlangte danach

würde ich erwachen
dein leben wäre neben mir

aber ich ruhe
deinen atem in mir

solange bis
einer kommt
der sagt bleibt

bleibt schlafend

die tage
sie haben
kein ende mehr


© schneewanderer


vorsicht




es gehört nun
alles dir

die farben
das licht
das ende
des wartens

paß auf
kleiner
junger
frühling

daß der
alte winter
dir nichts
stiehlt davon

uns zurück läßt
mit kalten händen wieder


© schneewanderer


stimme II




wohin wir kämen
ohne sie
die des anderen?

nie weit genug
um uns so gründlich
zu entfernen
von all dem anderen

all dem
was mitteilslos bleibt

wie weit wir kommen mit ihr?

immer so nahe
uns zu nähern
bis auf die
schwäche eines blattes
dessen stärke
alleine nur
platz findet zwischen uns


© schneewanderer


bremsweg IX




es bleibt mir verborgen
euer wechseln
vom gesehen werden
zum unentdeckt bleiben

selten gelingt es
euch ins licht
meines erstaunens
zu holen

ihr mit fell und flügel
ihr die mich daran erinnert
wie es war
wie es sein könnte
wie es nie mehr ist


© schneewanderer


komm




die amsel
streifte meine brauen
aufgeregt unterwegs
in den abend

noch wagt er es nicht
auf der erde zu gehen

ach frühling
der wege sind genug
an denen wir stehen
wartend auf dich


© schneewanderer


von hier nach hier




so weit bin ich
entfernt von dir

so lange

meine hand braucht
deine zu finden

mein ohr
deine stimme
zu hören

mein glück sagt
diese da
jene da
du da

weiter werde
ich mich
nie entfernen
aus meinem leben


© schneewanderer


2. Februar 2010

auepark XXX




freund
wie mag es
dir ergehen?

da ich nicht mehr gehe
auf deinen exakten wegen
der große teich seine kalte haut verlor

die blutbuchen rückten noch näher zusammen
andere erklommen den käseberg
und ich nicht mehr ziel
der schwäne am fröscheteich

an einem tag
in einem jahr
in einem sommer
legen wir
die decke wieder aus
hören dir zu
wie du erzählst von allem

wie ich es versucht habe


© schneewanderer


burg steinsberg / sinsheim




das einzig hohe
acht ecken im besitz
nördlich der alpen

der bergfried aus quadern
so mächtig - ein baum
auf solchen füßen
bräuchte lange
in den himmel zu gehen

oben wo ich stand
standen viele vor mir
staunend wie ich
daß er es wagt
immer wieder
dieser frühling
höher zu sein
als dieser turm


© schneewanderer


pausenblick X




hier und nun
an der tür zum heute
wächst er dieser tag
klettert ins licht

mein ohr lege ich an alles

an das schweigen der gräser
an das bett der amsel

die lädt mich ein
unter ihre federn

und einer hört
des anderen herz


© schneewanderer


pausenblick IX




weit hinten
am schlußstrich
meiner weitsichtigkeit
gedeihen wolken


das atomkraftwerk
schenkt dem rhein riesen
genießbar sollen sie sein


mir aber ist der hunger
nach anderem himmel


einem von früher
keinem von morgen


© schneewanderer


er da oben




ein mond
als wäre
tag mit der nacht

so liegen sie zusammen

keiner ahnt den anderen
jeder sagt seinen
namen dem anderen

immer hören wir
ein du


© schneewanderer


beruhigend




irgendwann wird es fehlen
das honigfarbene holz

meine bemühungen
am morgen
ihm ein letztes mal
zu sagen daß es lebt

dem feuer zu lauschen
danach gibt es nur noch
dieses eine geräusch

zu wissen
gleich hüllst du dich
in deine decke
sitzt neben mir

nichts anderes
hat mir der tag
zu sagen


© schneewanderer


inselblume




müßte ich dich suchen
ein sommerabend wäre gut

draußen wirst du sein
hoch über allem

dieser erde
diesem tag

dort treffe ich dich
die du gast bist
unter den worten

an der tafel
mit den wolken



für helga
für morgen
für den menschen


© schneewanderer


weißer III




bist da
immer noch
kamst nieder

bis zu mir

spätes kind
leises kind

wenn du weinst
wird die erde stiller

um jede
flocke schnee


© schneewanderer


leben




es gibt es
dieses andere

alles gesagte
vor uns
alles gesagt
hinter uns

eine insel
dies leben
die dem heute
den strand verweigert

es beginnt

da wir begreifen
sandkorn zu sein

eins
zwei
eins


© schneewanderer


wir




mehr
als unsere worte

um das
einige mehr
an leben

unbeschriebenes
unbeschreibliches

wir wären wir
ohne die worte
immer noch ein himmel

einer ohne sterne


© schneewanderer


märchen




man hört sie sagen
man solle nicht sagen
was zu sagen ist

als gäbe es nichts
zu sagen bevor
alles gesagt worden ist


© schneewanderer


bremsweg VIII




sah einen fuchs
der war
ein rand fell
das weiße
an seinem ende

nichts hätte mir
den tag näher
gebracht

nichts helleres
schlich sich davon
in die stunden

nichts machte
ihn mir länger


© schneewanderer


blatt




auf welche seite
es fallen wird

wessen name steht
zwischen den rippen

irgendeiner
hebt es auf
das unkenntliche
zu entziffern

irgendeiner
kundig
des vergessens


© schneewanderer


schloßberg / sternenfels




einige sah ich
ein paar der
tausend hügel

kleiner wurde ich
immer kleiner
zwischen wäldern
und weinbergen

reduziert
bis in die
jungen tannen
die gebrochenen äcker
blieb ich das kleinste
am höchsten punkt
an den wolken


© schneewanderer


tag




weg
den ich ging

bei dir
ruhte ich

nahm den sommer
nahm den park
nahm dich

da und dort
war dieser tag

einer der unseren
einer unter vielen


© schneewanderer


busch und amsel




einer birgt
den anderen
bleibt verborgen

obwohl ich blicke
durch winteräste
auf amsel und busch


© schneewanderer


die ravensburg




etwas nach frühling
etwas vor ihm
legte die leiter
an ihre mauern

wir kletterten hinauf
auf sommersprossen
lange vor ihm

halten ausschau nun
bis er in die hügel einfällt


© schneewanderer


tiefenbach II




gewagt
die hauptstraße
zu teilen
in ost und west

die eine kirche nur
ihr schatten aber
reicht bis an
die friedhofsmauer

unterm jahr
wachsen
die gedichte
bis an den himmel

diesen kleinen
den ich mir borgte
von den wolken

nie werde ich
ihn zurück bringen


© schneewanderer


stimme




du sagst
du hörst
im schlaf
meinen atem

meinen atem
sagst du
willst du hören
noch im schlaf

nie schläft er
unser atem
bis wir hören
auf den schlaf


© schneewanderer


einsicht




ein fisch
das gedicht
im kalten
klaren wasser

tauchte ich
meine hände hinein
ihn zu fangen

ich würde fehlen

so belasse ich ihn
stumm und scheu
an den rändern
meiner rinnsale


© schneewanderer


kleines glück




ich sah
einen himmel
im wechsel

eine dünne säule rauch
aus dem kamin klettern

darunter
ein herzschlag
zwei sogar

die nahm ich mit
heute morgen
in die taubheit
dieses tages


© schneewanderer


am bruchsee




hebst worte
zwischen die wolken
vermengst deinen blick
mit unsichtbarem

hier oben
legst du
krumen aus
im winter

auf daß
das gedicht
sich erheben kann
in den frühling

für helga


© schneewanderer


eis II




schnee unter der sonne
unter ihm hartes

doch du hast
vertrauen gesetzt
in das vergängliche

weil festes ist
wo weiches
sein kann

etwas das trägt
dich und mich


© schneewanderer


1. Februar 2010

noch einmal




seid leise
unter den bäumen
mahnte der vater
uns kinder

damit ihr seht
was nicht zu hören ist

so wuchs ich
in die stille
kroch unter rinde

als wäre immer sonntag
als könnte er wieder gehen
die kleinen hände
der zukunft
in seiner


© schneewanderer


weiher




eine träne nur
im auge der landschaft

sacht verborgen
vor dem entdecken

bis ich
nach ihrem
salz gehe

es finde
in deinem auge


© schneewanderer


halle-neustadt




zusammen gesetzt
aus tausend
kleinen scherben
schaut immer noch
marx herab

sieht den bruchsee
sieht offenes land
nach den wohnblöcken

wie es hätte
sein können
bevor man ihn
zu nahe an
den himmel pflanzte


© schneewanderer


eis




es wird dich tragen
von hier zu mir
von dir zu dir

kein riß in ihm
damit du
gehen kannst
von hier zu uns

so wie du
gegangen bist
von dir zu mir


© schneewanderer


dezember




nachtvogel
auf dem
frostbaum

eine feder
bricht den ast

zwei federn
wärmen ihn

ein ast
trägt ihn

zwei äste
verbergen ihn

frostvogel
auf dem
baum der nacht


© schneewanderer


einfache lehre




hättest du keine sprache
würdest du träumen

hättest du keine gedichte
würdest du sprechen

schreibe
was ein traum
dir sagt


© schneewanderer


weigerung




von deinem schlaf
will ich schreiben
lange erst nach meinem

von dir will ich schreiben
diesem leben in meinem

in deinen schlaf
will ich dich schreiben
damit er kommt
in jeder nacht

ohne die wunden
die der tag
dir geschlagen hat


© schneewanderer


tag




niedergebogen
hinunter
fast

auf
den boden
der trauer

zwischen
ihm
und
ihr

nur du

zu halten ihn


© schneewanderer


vom glück




morgens der gedanke
vielleicht weckt dich
der glockenschlag:
alle kirchtürme
sind steinböcke

das geräusch
wenn die flamme
den holzscheit findet

vielleicht hörst
du mich schreiben
die ersten worte:
sie gähnen noch
zwischen den buchstaben

und vielleicht
wirst du wach
vom denken
an dich


© schneewanderer


mutmaßung




es wird nicht
der tod sein
der mir angst
machen wird

diese letzte
diese größte

dein fehlen
ist die
beste furcht
jetzt schon

in der sicherheit
unserer leben


© schneewanderer


sternbild




du bist
keine waage

keine mitte
wird dich je finden

bist du

ein nicht
zu teilender mensch
in dessen schalen
ich leichtes legen möchte


© schneewanderer


meine schuld




draußen
zwischen
frost
und
kalt

herrscht
krieg

schwarz gegen viele
erdfarben gegen zwei

mit jeder
handvoll futter
bringe ich ihn
über den winter

trage ihn
in den garten
zu den
amseln
und
spatzen


© schneewanderer


kein blatt




schulter an schulter
letzte nacht

mein schlaf an deinem
dein wachsein an meinem

kein blatt
das platz
gefunden hätte
zwischen uns

kein blatt
mit namen
schmerz


© schneewanderer


pausenblick VIII




maschinenlärm
von irgendwo her

nicht nahe genug
nie laut genug
deine stimme
nicht zu hören
die meinen namen ruft
in diesem schlaf
der noch uns gehört


© schneewanderer


kassel




du würdest liegen
in der mitte
documenta fällt
über dich her
zertritt den auepark
während der herkules
tatenlos zuschaut

grau ist dein herz
die frankfurter straße
läßt es schlagen
schlägt es
aus dem takt

nie hätte ich
dich gefunden
hätte ich nicht
einen menschen gefunden
der mich fand


© schneewanderer


schwäche




an einem tag
zu einer nacht
zu einer stunde
zu keiner stunde
morgen schon
oder nie

legt sich
mein geheimnis
an deine seite
berührt dich
wie schon so oft
und dennoch
zum ersten mal


© schneewanderer


immer




schrieb ich
von sehnsucht
schrieb ich
von dir

fehlte die sehnsucht
würde ich nie mehr schreiben

außer dir
voller sehnsucht
nach sehnsucht
von dir


© schneewanderer


tauben nahe auepark




wie grauer schnee
fallen sie ein
mit ihm
in das knappe grün

würden sie bleiben
bliebe der winter
würden sie fliegen
bliebe der schnee

bis nach der zeit
der der tauben
der der städte

meiner


© schneewanderer


weitblick II




einen solchen mond
hast du mir geschenkt

vom himmel geholt
zwischen uns gelegt

damit wir staunen
über viele himmel


© schneewanderer


schnee




eines morgens
ist er da

leise
langsam

als möchte er uns sagen
probiert es wenigstens
nur dieses eine mal
euch zu erinnern
wir ihr wart

bevor
die vorhersagen
eintrafen


© schneewanderer


antwort




wem der tag gehört?

dem regen
nicht seinem ende

den vögeln draußen
ihren federn
nicht ihrem flug

keinem gehört er
da er auf sich hörte

nur tag war

einer mit regen
einer an dem ich
den vögeln
körner legte
in ihren morgen


© schneewanderer


deine rede




selbst im schlaf
hörst du
das feuer

das erste
am tag
jenes für dich

damit
dein traum
nicht friert

seite an seite
mit mir


© schneewanderer


sichtbares




deine haut
die dünne
die dicke

dein müde sein
das wache
das stetige

deine liebe
die nie schläft
mich wach hält
unter aller augen


© schneewanderer


sonntagsrede




die meisen zerren
am glockenseil
heben dich
aus dem schlaf
hinein in den tag
hinein in den traum

an seinem ende
warte ich

den vögeln
eine hilfe
am beginn
der stille


© schneewanderer


hörbar




in unserem
schweigen noch
diese laute

wir hören
vom anderen
das gute

das beste
das sich
menschen
nie sagen können


© schneewanderer


rückzug




der letzte holländer
hat schon lange
einen der tausend hügel
hier geräumt

nun träumt er wieder
ebenerdig
unter meereshöhe

das dorf
fällt wie
ein bienenschwarm
in die weinberge ein
nimmt den hängen
den honig
der vorhergehenden sonne
die stille

an solchen tagen
finde ich sie wieder
gleich hinter
einem abgewetzten buchdeckel


© schneewanderer


geleit II




die amsel
soll dir singen
heute morgen
wie sie mir sang

nach tag
wird sie hüpfen
in mein lächeln
in meine arme
wie du

singend
immer noch


© schneewanderer


ungeduldiges stück




mach voran himmel
deine kalten füße
will ich sehen
die vielen kleinen zehen

flocken will ich
überm haus
große dicke
das wär ein segen
zieh die warmen socken aus

mach ihm endlich angst
dem regen


© schneewanderer