28. Dezember 2019

24.12.2019




in keiner mitte
ein verängstigter
streifen sonne

der erde näher
als dem himmel

genau dort
stirbt die hoffnung
wird geboren

macht aus diesem bild
ein gedicht


© schneewanderer



15. November 2019

hinterlist




wohin legt
sich der tod
wenn er müde ist?

unter meine decke
unter deine decke
unter unsere decke

wir wärmen ihn
zwischen uns
wir erzählen ihm
geschichten

keiner
wird sich
je finden
ihn zu wecken
ist er eingeschlafen


© schneewanderer



13. November 2019

sonne die täuscht




nicht mehr
glaubwürdig
nach dem ersten
weißen dach
morgens
im frost

du
die mich
in staunen
versezte
im sommer

sieh mir nach
daß ich den
mond nun vorziehe
an novembermorgen
wie diesem


© schneewanderer



9. November 2019

gästeliste




eichelhäher

ungebeten
hartnäckig

sperber

überraschend
tödlich

fuchsie

ausdauernd
auffällig

herbst

wiederkehrend
bunt

der garten
ein buch
mit vielen
namen


© schneewanderer



27. September 2019

nachruf




mit worten
aus braun und gelb
vergehen
vergessen
werden

noch
hänge ich
an deinen lippen
sommer
sie sprechen
wahr
und
licht


© schneewanderer



17. September 2019

himmel im september




das blau
ängstlicher
geworden
der bussard
mutiger
aber immer noch
die gleiche decke
unter der sie stecken


© schneewanderer



orakel





der blinde
ich habe es kommen sehen

der stumme
keiner hörte auf mich

der taube
hört
auf
mich zu
langweilen


© schneewanderer



24. August 2019

zweitwohnsitz




auf dem toten holz
wo die vorlauten
spatzen richtfest feiern
voreilig
da sich jeder
dem dach verweigert

dort wo ich die
letzten schritte
mit meinem vater gehe
das gelb des topinamburs
in die wolken streue
die feigen mutig werden
reif und genießbar

genau hier
exakt dann
zieht gott ein
irgendeiner
seiner wunder müde
staunend über meine


© schneewanderer



15. August 2019

viele himmel




einer
über meiner wiege
voller schnee
zukunft

einer
über uns
blau
unendlich

einer
der der auf
mich fallen wird

mit allem
was er entbehren kann


© schneewanderer



15. Juli 2019

neues gewand




grün
nicht zu sehr
auf wachstum bedacht
man könnte sich betten
in weich und stille

aber du
liegst hier
bewacht
von
eidechse
amsel

trauer
die nicht
enden will
zu gedeihen


am grab meiner mutter


© schneewanderer



kaumworte




begreifen
beschreiben

ergriffen sein
beschrieben werden

grenzwertig
jede silbe

keine waage
es je
zu messen


© schneewanderer



26. Juni 2019

panorama museum bad frankenhausen




nur einmal
hat sich die
welt gedreht seither
wieder in die falsche richtung

unten
kennt keine jahreszeiten
oben
verschweigt sie beharrlich

allein
müntzer
feiert wiederauferstehung
nur um wieder
peinlich befragt zu werden
im grün
des blutes


© schneewanderer



17. Juni 2019 - Ifta




der wachturm
noch immer
weiße wunde
im grünen fleisch

länger und länger
sein schatten
im erinnern


© schneewanderer



1. Juni 2019

blaubeeren




reifer grund
im grün
bis die farbe
des himmels
sich verbrüdert
mit meinen fingern



© schneewanderer



22. April 2019

ostersonntag - friedhof in schutterwald




nur
den gedulgigen flechten
der immerwährenden amsel
dem verlockenden glanz der stille
gestatte ich
die stimme zu erheben
über den gräbern

nur
in diesem augenblick
gleicht sie
der meinen


© schneewanderer



20. März 2019

schreibfehler




alles gut

nach der
nächsten wahl
dem neuen ct-bild

immer
die falschen worte
mit denen wir
wahrheit
buchstabieren


© schneewanderer



6. März 2019

merkzettel




mich an
das vergessen
erinnern

endlich
lernen
auf dem seil
zu tanzen

zwischen
loslassen
und festahalten

nur dieses eine leben
verletzbar
verletzend
endlich


© schneewanderer



27. Februar 2019

dieb III




dem februar
von der sonne
meinem leben
ein paar stunden
den kleinen eidechsen
ihr verborgen sein

all das
nahm ich mir
warte seither
zufrieden
auf meine strafe


© schneewanderer



13. Februar 2019

verweildauer

 


irgendein zuständiger war um die trauer wissend, obwohl sie nie gelehrt wurde.

in ein paar monaten wäre die frist vorbei, der stein nur noch geschichte.
zum glück für uns menschen, zu unserem nachteil bliebe da noch das erinnern.
der erhobene arm mit dem kochlöffel als pädagogische verlängerung, ihr einschlafen
im sessel nach fünf kindern und einem leben mit verantwortung als naturgesetz.

manchmal ist er da der drang goldene paläste zu denken für sie, jene ohne ausgang.
aber das erinnern ist näher, die trauer immer noch.

auch ohne ihren grabstein, dem verweilen auf absehbare zeit.
weil ihr mann sich ermutigt hat zu leben nach ihr, fast zwanzig jahre.
manchmal legt er seine hand auf den stein, ich bilde mir ein lächeln auf seinem gesicht ein:
bald sagt er dann.

meinen eltern


© schneewanderer



3. Februar 2019

besondere merkmale




narbe auf dem linken handrücken
stetig nachlassendes gottvertrauen
der drang nach worten

irgendwer
irgendwann
irgendwie

drückt mir
seinen stempel auf

aber bis dahin
wähle ich
die farbe


© schneewanderer