1. März 2016

traudel




als die marokkaner kamen, hühner schlachteten im wohnzimmer, 
und auch sonst nach weißem fleisch suchten, war sie längst in sicherheit.

wenigstens für die nächsten fünfeinhalb jahrzehnte.


im dorf blieb sie immer die aus der stadt, einmal widersprach sie dem: 

einmal von dem ich weiß. sie entflocht den vorher kunstvoll geflochtenen zopf.
der gehörte zum kopf einer der schlimmsten, 

von der sorte mit vorgehaltener hand beim lügen.


die hauptstraße viel zu kurz, um sie lange genug auf ihr entlang zu schleifen 

am langen dunklen haar.
nachher war friede ihr leben lang, eher war es krieg - aber den
traute keiner mehr anzuzetteln.

viermal die hebamme bemüht, einmal den totengräber.
der jüngste durfte endlich im krankenhaus ihr letzter
genannt werden.

gehaßt habe ich ihre geranien, das herunter zerren in den
keller jedesmal im herbst. 

einmal habe ich sie geschimpft deswegen - als sie es alleine tat.

eine woche später war sie tot, die ärzte meinten aber ein paar
teure maschinen müßten sich lohnen. alles lügen, das tägliche
waschen - das zur schau stellen was unter die erde will.

in der aussegnungshalle sah ich sie zum letzten mal,
nahm mit von dort von dem ich dachte es wäre erinnerung.

erinnerung aber war als mein vater die hand auf ihr grab
legte und dachte: bald.


© schneewanderer



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